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Michael Karl

von Michael Karl

Story
Ravensburg 1993

Das Frühjahr 1993 markierte einen Wendepunkt in meinem jungen Leben, ein schicksalhafter Tag, der alles auf den Kopf stellen sollte. Ein Tag, den ich niemals erwartet hatte, sollte meine Welt auf unvorhergesehene Weise erschüttern. In jenen Tagen verdiente ich meinen Lebensunterhalt als Ersatzteilverkäufer und Lagerist in einem Autohaus in Ravensburg. Ein paar Wochen zuvor hatte ich mir stolz meinen lang ersehnten Traum erfüllt. Eine brandneue Suzuki 650DR, eine Maschine, die für mich Freiheit und Abenteuer verkörperte. Ich hatte bereits einige Runden im malerischen Allgäu gedreht, die Serpentinen der Region erobert und die Freiheit auf zwei Rädern genossen. Der Kauf diese Motorrades hatte den Großteil meiner Ersparnisse verschlungen, einschließlich des Verkaufs meiner treuen Suzuki 250RM.

Dieses stolze Symbol der Freiheit stand nun vor mir, während die Sonne an jenem verhängnisvollen Tag hell strahlte. Meine Freundin war zu Besuch, und Roland, mein enger Freund, genoss ebenfalls seinen freien Samstag. In der Papierfabrik in Baienfurt, in der Roland arbeitete, wurde rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, im Schichtbetrieb produziert. Unsere Zeit zusammen war begrenzt, doch an diesem Tag schienen die Sterne richtig zu stehen. Wir versammelten uns vor dem Haus meiner Eltern, und ich erklärte Roland begeistert die Feinheiten meiner neuen Maschine. Seine Augen leuchteten vor Neugier und Begeisterung. Er drängte darauf, eine Probefahrt zu unternehmen, was wir bereits zuvor besprochen hatten. Ein kurzer Ausflug zur Tankstelle stand an, um Zigaretten zu besorgen. Doch aus einer scheinbar unschuldigen Gelegenheit sollte sich ein tragischer Albtraum entfalten, der mich bis heute heimsucht.

Sie fuhren los und waren bald hinter der ersten Kurve, die zur Hauptstraße führte, verschwunden. Noch konnte ich den Klang des Motors hören, als ein anderes, erschreckendes Geräusch das gleichmäßige Tuckern verschluckte. Nur wenige Hundert Meter von meinem Elternhaus entfernt, wo die Straße vertraut und friedlich schien, geschah das Unvorstellbare.

Ein Unfall. Der ohrenbetäubende Lärm des Aufpralls durchdrang meine Ohren und riss mich brutal aus meiner Leichtsinnigkeit. Ein Schock durchzuckte meinen Körper, und ich spürte, wie der Adrenalinstoß mich in eine panische Bewegung versetzte. Instinktiv setzte ich mich in Bewegung, als würde ich versuchen, die Realität zu überholen, in der Hoffnung, dass ich das Geschehene ungeschehen machen könnte. Die Szene, die sich vor meinen Augen entfaltete, raubte mir buchstäblich den Atem. Ein tiefes Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung ergriff von mir Besitz. Das Auto, in das sie frontal hineingekracht waren, schien verzerrt und deformiert, eine grauenhafte Falle, aus der es kein Entkommen gab. Roland, mein Freund, lag regungslos auf dem verdrehten Metall des Fahrzeugs, ein Bild des absoluten Leids und der Zerstörung.


© Michael Karl 2024-01-06

Genres
Biografien
Stimmung
Abenteuerlich