9. An den Stuhl gefesselt

MJvK

von MJvK

Story

“Herein” Der Professor öffnet die Tür kraftvoll und beschwingt wie immer. Drei große Schritte und er lässt sich auf dem gepolsterten Sessel fallen. Wie gerne hätte er jetzt eine Zigarette. Am Anfang jeder Stunde mit dem Herrn Doktor fühlt es sich für ihn an, als wäre er wieder ein junger strauchelnde Autor der bittstellend mit seinen Manuskripten die Büros der Literaturszene abklappert, um eine Chance zu erhalten. Seine Hände zittern ein wenig und sind mit kaltem Schweiß überzogen. Er rückt das Namensschild, Herr Doktor Christian Geber-Jungwirth, leicht zu Seite und streicht sich durchs Haar. „Wie geht es Ihnen heute, Herr Professor?“ „Kommen Sie zur Sache Herr Doktor!“ leicht genervt von der vermeintlichen Offenheit, die die Frage suggeriert. „Hmm, wie ich sehe sind sie nach wie vor noch nicht ganz an das Prozedere gewöhnt. Nun gut, sie haben Recht lassen sie uns zur Sache kommen: Quälen sie nach wie vor die Alpträume?“ Tief luftholend, als folgte es ein Sprechmarathon beginnt P.: „Es ist seltsam. Die Nächte hier vergehen wie im Flug. Es ist, als ob ich die Augen nur kurzschließen würde und schon weckt mich die schrille Stimme von Frau Gerda. Die Alpträume sind nicht fassbar und wie kleine Erinnerungsgeschosse dringen sie in den ersten paar Stunden meines Tages tief in mein Bewusstsein.“ „Erzählen sie mir von dem heutigen Traum. An was können sie sich erinnern?“ „Er begann wie jeder andere. Ich höre einen lauten Hilferuf weit in der Ferne. Meine Gedanken rasen schneller als meine Füße und ich laufe eine Lange dunkle Straße entlang. Zu beiden Seiten ragen Ziegelwände in die Höhe, als ob sie kein Ende hätten und es gibt nur eine Richtung, in die ich laufen kann. Die Stimme wird lauter und lauter und mein Herz schlägt lauter und lauter. Es fühlt sich an, als würde ich mein ganzes Leben lang rennen. Doch dann blitzt am Ende des Korridors ein kleines Licht. Zwei Schatten und ich friere fest. Meine Füße versinken im Boden und mein Blick, als würde eine Starke Hand mir die Augen aufreißen fixiert die Silhouetten. Im Neonlicht der Straßenlampe schwingt einer der Schatten ein langes metallenes Objekt. Und mit einem dumpfen Hall fällt die zweite Person zu Boden.“ Der Professor krallt sich an die Sessellehne. Sein Puls schlägt, als wäre er in dem Moment die Straße entlang gerannt und sein Atmen ist schnell und unruhig. CGJ schwenkt ein: „Das ist sehr interessant. So weit sind sie in ihrem Traum noch nie gekommen? Wenn ich mich richtig entsinne, wachen sie normalerweise auf bevor sie zu der Stimme gelangen.“ „Richtig, aber es geht noch weiter. Nachdem der Schatten zu Boden kracht, wendet sich ihr Kopf mir zu. Ich sehe das Blut den Hals hinunterlaufen, ich sehe die Finger sich verkrampfen und den Schmerz der den ganzen Körper und auch meinen durchzieht. Doch ich sehe kein Gesicht! Es ist wie eine weiße Maske und ich kann nicht erkennen, wer es ist.“ „Das ist interessant! Wie fühlen sie sich dabei?“ “Es ist eine Ohnmacht. Ich habe das Gefühl so knapp davor zu sein. Als müsste ich verstehen was geschieht, aber…“ Er macht eine lange Pause. „Sie dürfen sich nicht zu sehr unter Druck setzen. Sie haben ein schweres Trauma und es wird Zeit brauchen, bis Sie es verarbeiten könne. Wie kommen sie mit Emily voran? Es scheint mir, als machten sie große Fortschritte seit Sie mit ihr arbeiten?“ „Es ist eine gute Ablenkung.“ „Gut. Dann machen sie weiter. Sehen sie es als Puzzle, welches sie zusammenfügen müssen.

© MJvK 2023-08-31

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional