9. Der erste Kuss

Jassi Etter

von Jassi Etter

Story

Romina setzte sich ebenfalls, vielleicht ein bisschen zu dicht, aber nachdem sie bereits Händchen gehalten hatten, war das schon drin. Dann begann sie zu berichten von der Frau, die sie ein paar Mal gesehen hatte und die heute um Mitternacht mit ihr sprechen wollte. Sie erzählte, dass ihr der Geist irgendwie bekannt vorkam, dass sie Angst hatte, und auch ein klein wenig neugierig war.

Zwischendurch versuchte sie immer wieder Alex‘ Gesichtsausdruck zu deuten. Sie wollte keinesfalls, dass Alex sie für komisch hielt.

Als Romina geendet hatte, nickte Alex verständnisvoll. „Es kann schon sein, dass da ein Geist bei dir ist. Vielleicht musst du dir einfach anhören, was sie zu sagen hat und möglicherweise verschwindet sie dann wieder.“

„Und wenn nicht?“

„Dann kannst du dich immer noch mit ihr anfreunden.“

Romina sah Alex an und musste so laut loslachen bei Alex‘ pragmatischem Vorschlag, dass ihr die Tränen kamen. Alex reichte ihr ein Taschentuch und sie wischte sich damit über das Gesicht. Alex streckte die rechte Hand nach ihrem Gesicht aus. „Du hast da einen Fussel an der Augenbraue. Darf ich?“

Romina nickte und Alex fuhr ihr mit dem Finger zart oberhalb des Auges entlang. Alex‘ Gesicht war ihrem plötzlich viel näher und sie nahm den leichten Vanilleduft um Alex‘ Mund wahr. Rominas Mund fühlte sich auf einmal so trocken an, dass sie nicht anders konnte, als sich über die Lippen zu lecken. Alex zog scharf die Luft ein.

„Darf ich dich küssen?“, flüsterte Alex nah an Rominas Mundwinkel und als Antwort beugte sie sich vor und legte ihre Lippen auf Alex‘. Alex wirkte kurz überrascht, erwiderte den Kuss aber. Es war eine sehr sanfte Berührung, die sich heiß anfühlte. Wie der Sommer, der dem Ende zuging.

Plötzlich zog Romina sich zurück und murmelte: „Ich muss los. Tut mir leid, ich hab ganz die Zeit vergessen.“

„Romina, bitte. Habe ich dich verschreckt?“

„Es ist gerade sehr viel.“

„Bitte geh nicht einfach, Romy.“

„Ich brauche ein bisschen Zeit, um das zu verarbeiten, okay?“

Alex nickte und sah traurig aus, als Romina sich verabschiedete.

Sie ging gerade so schnell, dass es nicht nach rennen aussah, doch eigentlich tat sie genau das. Wegrennen.

© Jassi Etter 2022-08-10