von Jakob Hysek
Das Beste nach dem Ankern neben dem obligaten Ankerschluck, lieber Theo, ist, wenn unser Kapitän Heinz Rudolf die Lage des Ankers und das freie Treiben der Kette kontrolliert. Dafür hat er nämlich seine ganz besondere Ausrüstung und einen eigenen Stil.
Erstens liegen wir immer ganz vorne, quasi am Chefankerplatz der jeweiligen Bucht, weil keiner seine Yacht mit so viel Gefühl manövrieren und parken kann wie Heinz Rudolf. Das bedeutet auch, dass wir Charteryachten, die schon irgendwo in der Bucht herumliegen, geschickt umkurven und alle nervös werden, wenn wir uns gelassen den besten Platz sichern. Nach dem wohlverdienten Weizen aus dem gekühlten Steinkrug, geht das Spektakel los:
Heinz Rudolf holt sich seine Schnorchelausrüstung: Taucherbrille, Schnorchel, riesengroße Flossen und sonst? Ja genau, sonst nichts. Dann springt er von Bord und schnorchelt rund um seine Yacht herum. Dabei kontrolliert er, wo der Anker liegt und wie die Kette hängt. Fadi und ich kugelten immer vor Lachen fast aus der Hängematte, wenn wir den „buckeligen Rentnerwal“ seine Mondbacken über die Meeresoberfläche strecken sahen. Der Zuckerschock unserer Anker Limo steuerte sicher den Rest zu unserer überschwänglichen Freude bei.
Unsere letzte Nacht an Bord verbrachten wir in einer traumhaften Felsenbucht auf einer sehr kleinen Vulkaninsel der Liparischen Inseln. Heinz Rudolf kannte die versteckte Bucht und so waren nicht viele andere Boote rund um uns herum. Am Abend lagen wir an Deck, beobachteten die Sterne und tauschten unsere liebsten Erlebnisse und Weisheiten aus:
Von Heinz Rudolf durften wir lernen, dass man, wenn der Wind sich dreht, sich also die Ausgangslage stark verändert, Ruhe bewahren muss und die Lage neu bewerten, bevor man eine Entscheidung trifft. Das macht man am besten nicht auf leeren Magen. Danach trifft man aber dann eine Entscheidung für einen neuen Kurs und setzt diesen auch gleich. Man darf sich also trauen, Entscheidungen zu treffen und in die Tat umzusetzen. Denn, sollte man einmal ein bisschen falsch liegen, kann man einfach ein weiteres Manöver anhängen und nachbessern.
Die zweite Lektion betraf Manöver-Schlücke wie den Ankerschluck: Heinz Rudolf erklärte uns, dass es wichtig ist, auch die kleinen Erfolge nicht zu übersehen. Man darf dankbar sein und sich freuen, wenn einem etwas gelingt. Das werden wir uns auch immer merken.
Zu guter Letzt nehmen wir die Freude von Heinz Rudolf mit auf den letzten Part unserer Reise. Er freute sich, als er zuerst mich, das Edelschwein Ferkel, fand und dann auch über Fadi. Heinz Rudolf freut sich über guten Segelwind genauso wie über ein perfekt gegrilltes Thunfischsteak. Wenn er mit uns beim Plantschen geblödelt hat, konnte er -nur mit Schnorchelausrüstung bekleidet- kichern, bis er vor Freude grunzte wie ein ausgewachsener Edelschwein-Eber.
Diese Lebensweisheiten gab uns Heinz Rudolf mit und wünschte uns alles Gute für unsere zukünftigen Abenteuer mit dir, lieber Theo und mit deinem Bruder Ferdinand.
© Jakob Hysek 2025-07-06