Das gefühlt hundertste Mal schaue ich auf der Website meines Hausarztes nach seinen Öffnungszeiten. Schon die letzten Wochen habe ich mir immer wieder vorgenommen dort vorbeizuschauen und eine Blutprobe abnehmen zu lassen. Aber jedes Mal habe ich eine Ausrede gefunden, um es doch nicht machen zu müssen. Danach habe ich es jedoch immer wieder bereut, wenn das Engegefühl in meiner Brust größer wurde. Es ist die reinste Folter, weshalb ich heute auf jeden Fall zum Arzt gehen werde! Notfalls verschiebe ich die Blutabnahme und lasse lediglich mein Herz untersuchen. Tief atme ich ein und aus, stehe abrupt auf und schnappe mir meine Schlüssel, mein Handy und Kopfhörer. Bevor ich meine Entscheidung überdenken kann, laufe ich lieber sofort los und bringe es hinter mich. Mit meiner Lieblings-Spotify-Liste versuche ich meine Nervosität herunterzuschrauben. Bis zu der Praxis ist es ein kurzer Fußweg und die frische Luft, sowie der Sonnenschein auf meiner Haut fühlen sich angenehm an. Als dann auch noch ein Taylor Swift Song beginnt, den ich leise mitsumme, habe ich mich so weit beruhigt, dass ich nicht das Gefühl habe, vor der Tür der Arztpraxis zusammenbrechen zu müssen. Ein paar Lieder später stehe ich auch schon vor dem Eingang, schließe die Spotify-App und drücke auf die Klingel. Zum Glück kann man auch ohne Termin erscheinen, ansonsten wüsste ich nicht, ob ich es geschafft hätte, dort anzurufen. Jetzt bin ich hier und entscheide mich dafür, dass es nur noch vorwärtsgeht. „Guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?“, fragt mich eine Arzthelferin. „Ich würde gerne mit Dr. Bernhard sprechen“, bringe ich hervor und wringe dabei meine Hände. „Ich bräuchte dann Ihre Versicherungskarte.“ Mit leicht zitternden Händen reiche ich ihr mein Kärtchen und sie bittet mich, im Wartezimmer Platz zu nehmen. Hoffentlich muss ich nicht allzu lange warten. Um mich abzulenken, hole ich mein Handy hervor und öffne unterschiedliche Apps, die ich sodann auch wieder schließe. Ich schreibe meiner Mutter und stoße erleichtert die Luft aus, als ich sehe, dass sie mir zurückschreibt. Vielleicht hätte ich sie fragen sollen, ob sie mitkommt. Aber sie arbeitet heute und ich wollte ihr keinen Stress vor der Arbeit bereiten. Mit ihr zu schreiben gibt mir jedoch bereits genug Sicherheit, um weiterhin sitzen bleiben zu können und nicht einfach wegzurennen. Als ich aufgerufen werde, hebe ich schnell meine Tasche auf und begebe mich ins Arztzimmer. „Guten Morgen“, begrüßt mich der Arzt und lächelt freundlich. „Guten Morgen“, antworte ich ihm. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragt er mich. „Ich würde gerne ein EKG machen lassen“, höre ich mich sagen. „Ich habe manchmal das Gefühl, dass mein Herz unregelmäßig schlägt und wollte sichergehen, dass es nichts Ernstes ist“, führe ich weiter aus. „Kein Problem. Wir machen dann ein Kurz-EKG, dann kann ich auch sofort einen Blick auf die Ergebnisse werfen. Außerdem empfehle ich Ihnen auch eine Blutabnahme zu machen“, informiert er mich und ich erstarre. Blutabnahme. Das, wovor ich mich gefürchtet habe, aber auch einer der Gründe, weshalb ich hier bin. Jetzt muss ich mich entscheiden. Soll ich die Blutabnahme verschieben? Werde ich nochmal die Stärke haben, hierherzukommen, und zwar dann mit der Gewissheit, dass mir Blut abgenommen wird?
© Diana-Wladimirowna 2023-08-26