von Valerie Aigner
Die Tage danach waren wie eine verschwommene Masse in meinem Kopf. Ich hätte nicht sagen können, wo ein Tag aufhört, und der nächste anfängt. Ina wurde vorerst in ein anderes Zimmer gebracht, nachdem sie eine Panikattacke hatte. Ich hatte ihr bereits eine Nachricht geschrieben, um mich für meine Überreaktion zu entschuldigen, die sie sofort angenommen hatte. Heute Abend sollte sie wieder in mein Zimmer verlegt werden, so stand es zumindest in ihrer letzten Nachricht. Das erste Mal seit meinem Aufenthalt im Krankenhaus fühlte ich mich rastlos, und verlies mein Zimmer. Auf dem Weg den Gang entlang kam ich an der Teeküche vorbei, und plötzlich verspürte ich das dringende Bedürfnis, mir eine heiße Tasse Schwarztee zu brühen.
Ich musste etwas suchen, bis ich eine Packung in dem ganzen Chaos gefunden hatte. Da ich eine persönliche Abneigung gegen Unordnung hatte, fing ich an, während sich das Wasser auf dem alten Herd erwärmte (ein ordentlicher Wasserkocher war wohl zu viel des Guten), die Schränke auszuräumen und mit neuem Ordnungssystem wieder einzuordnen. Ich konnte es nicht bei den Schränken belassen, also sortierte ich auch die Besteckschublade, in der neben Sieben und Teefiltern nur Löffel und Teelöffel vorhanden waren. Als ich endlich den ersten Schluck nehmen konnte, und mir dabei fast die Zunge verbrannte, stieß ich ein Seufzen aus. Ich hatte nicht gewusst, dass ich mich so nach einer Tasse Tee gesehnt hatte, aber jetzt war es einfach das Glück auf Erden.
Zurück in meinem Zimmer wartete Ina bereits mit einem Lächeln auf mich und fiel mir um den Hals. Ich konnte ihren Schwung nicht bremsen, und so landeten wir am Boden, sie auf mir. Vor Schmerzen ächzend versuchte ich Ina von mir zu schieben, doch sie verlagerte ihr Gewicht, sodass ich mich kaum mehr bewegen konnte. „Ich habe lange darüber nachgedacht, und mit Ruben darüber geredet,“ sagte sie in nachdenklichem Tonfall. Verwirrtheit breitete sich in mir aus. „Und ich bin zu der Entscheidung gekommen das Ruben nicht Recht hat.“ Ihr Lächeln verzog sich zu einer Grimasse. „Ina, was ist hier los?“, fragte ich sie mit zittriger Stimme. „Ist es wegen dem Vorfall von neulich? Darüber habe ich schon mit Ruben geredet, es ist alles gut!“, versuchte ich sie mit einem erzwungenen Lächeln zu überzeugen. Und mich auch. Ina verzog ihre Nase und ihr Grinsen wurde breiter als sie mir antwortete: „Nachdem mir klar geworden ist, dass du Ruben nie gehen lassen wirst, und er dir hundertmal sagen kann, dass Schluss ist und du trotzdem noch glaubst ihr wärt zusammen, habe ich beschlossen die Sache in eigenen Hand zu nehmen.“ Noch bevor ich ihr antworten konnte, zog sie ihre Hand hinter dem Rücken hervor und stach mir mit einem Messer in den Bauch. Schmerz durchzuckte mich, und ich verlor das Bewusstsein.
© Valerie Aigner 2023-08-31