A nackerte Gschicht

Sarah Schreiter

von Sarah Schreiter

Story

„You can leave your hat on“, sang die MĂ€nnerstimme im Hintergrund, wĂ€hrend ich mich in einer sehr kurzen Hose meinem Hemd entblĂ¶ĂŸte und es ins Publikum warf. Von nun an verdeckte nur noch schwarze Spitze den nicht jugendfreien Teil. Burlesque it, baby!

Direkt vor mir saßen alle Lehrer, welche mich in den letzten Jahren unterrichtet haben. Auch der Direktor meiner katholischen Privatschule schaute zu. Die EhrengĂ€ste, darunter Nonnen des Schulordens und der Leiter der MilitĂ€rmusik, schauten sich mit vielsagenden Blicken an.

Irgendwie genoss ich die entsetzten Gesichter und warf dabei meinem Klassenvorstand ein LĂ€cheln zu. Er war der einzige Lehrer der grinste. Die Mitternachtseinlage war in vollem Gange.

Wer aus meiner Klasse nicht so aufreizend tanzen wollte, hatte seinen Auftritt in einer der weiteren Gruppen mit einem anderen Tanzstil. Von Ballett bis 80s-Aerobic war alles dabei. Unser mitternĂ€chtliches Dancebattle sollte vielfĂ€ltig und unterhaltsam sein. Man tanzt schließlich nur einmal auf seinem eigenen Abschlussball!

Eine halbe Stunde vor besagtem Auftritt, wuselte es bereits in der Garderobe. Die verschiedenen KostĂŒme mussten sitzen. TĂŒtĂŒ fĂŒr meine beste Freundin, kurze Jeans, schwarze Stöckelschuhe, Spitzentop, MĂ€nnerhemd und Hut, fĂŒr mich. Noch war mir nichts unangenehm.

Doch als ich endlich umgezogen war, kam der Schock. Zu meinem Leidwesen hatten wir in der Burlesque-Gruppe vergessen, uns unsere Outfits im Vorhinein zu zeigen und aufeinander abzustimmen.

Nun stand ich da. Niemand war so nackert wie ich. Ich hatte nicht nur die höchsten Schuhe und die kĂŒrzeste Hose an, sondern war auch die Einzige im BH. Die anderen verbanden mit dem demokratisch bestimmten „schwarzem Spitzentop“ anscheinend ein einfaches TrĂ€gerleiberl anstatt laszive UnterwĂ€sche.

„Weiß der Direktor, dass du dich so bitchig anziehst?“, fragte mich ein MĂ€dchen aus der Parallelklasse, als sie mich sah. „Nein, natĂŒrlich nicht!“ Niemand wusste das. Schlimm genug, dass ich beim Ball meiner katholischen Privatschule Burlesque tanzen wollte, nun wirkte das auch noch notgeil.

Um mein Gewand besser an die anderen anzupassen, bot mir eine Klassenkollegin ihr graues Unterhemd an. Ich zog es ĂŒber, doch verdammt sah das hĂ€sslich aus. An ObszönitĂ€t verlor das KostĂŒm dadurch leider kaum.

Nicht tanzen, mit Unterleiberl oder gleich nur im BH auftreten, verschiedenste Szenarien wurden diskutiert, doch meine Klasse und ich kamen auf keine gemeinsame Lösung. Letztlich blieb uns nur noch eine Möglichkeit: Ich musste die Meinung unseres Klassenvorstandes einholen und mein Gewand absegnen lassen.

Mit angetrunkener Selbstsicherheit ging ich auf ihn zu.

„Herr Professor, kann ich so oder ohne grauem Top gehen?“

„Hast du drunter noch was an?“

Anstatt zu antworten zog ich einfach das Unterhemd hoch. Perplex schaute der Lehrer auf meinen BH, wÀhrend er nach den richtigen Worten suchte:

„Mit deinen Noten darfst du alles anziehen.“

© Sarah Schreiter 2020-06-07

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