von Lotte Maria Kaml
… Liegt schon seit Stunden vor mir. „I wollt´ was schreiben!“, erkläre ich meiner Besucherin, die unverhofft bei mir hereingeschneit ist. „Jo und, fallt dir nix ein, oder was?“ Die “Anna-Tant” sieht mich strafend an. Sie nimmt ihr Kaffeehäferl in die Hand, trinkt einen Schluck, verzieht das Gesicht. Bröselt die Kekse auf den Fußboden und schaut gespannt auf meinen Notizblock.
„Und warum schreibst nit auf dem Komputer do?“ Neugierig tippt sie mit dem Schokolade-verzierten Zeigefinger auf den Laptop. „Auf der Terrasse blendet mich die Sonne, da sehe ich auf dem Bildschirm so schlecht“, starte ich eine Erklärung. „A so a Glumpert, nit amoi schreiben kannst am Tag da drauf? De san doch schweineteuer, die Dinger!“
Ich wechsle das Thema. Erkundige mich nach der Familie der Tante, die genau genommen gar nicht meine Tante ist. Sie legt aber großen Wert darauf, dass ich sie so nenne. „Nachbarn sind auch Familie, oder nit?“ Irgendwie hat sie ja recht. Sie tut auch viel. Für mich, für alle, die in unserem Haus wohnen.
Wem wäre es denn aufgefallen, dass ein Einbrecher vor unserem Haus herum schleicht? Wer, außer ihr, hätte den Mut, um drei Uhr nachts mit einem Küchenmesser in der Hand Alarm zu schlagen? „Wo san die Manderleut? Packt´s eam, lasst´s ihn ja nit aus!“
Schockiert rannten wir alle zusammen. Der fette Igel, welcher die Futterschüsseln ihrer Katzen umgeworfen hatte, trollte sich. Wer, außer ihr, berief so wie heute eine dringende Sitzung ein (weil des so nit weitergeht, des gehört besprochen)? Am Spielplatz. Weil, da steht eine Bank zum Niedersitzen für die etwas fuß-marode Anna.
Sie wollte mich auch nur darauf aufmerksam machen, dass Anwesenheitspflicht besteht. Darum war sie jetzt da. „Worum geht es denn?“ „Des wirst dann schon derfragen!“ Pflichtgemäß finde ich mich mit drei weiteren Nachbarinnen (alle anderen hatten wohl einen unaufschiebbaren Termin) im Sitzungssaal im Freien ein.
Wir warten. Und warten. „Vielleicht macht sie ein Schläfchen und hat die Zeit übersehen?“ „Hoffentlich geht es ihr gut?“ Also beschließen wir einstimmig, nachzuschauen. An ihrer Eingangstür klebt ein Zettel. „Sitzung ist verschoben. Gugelhupf ist mir angebrannt. Wegen dem Nitweiterkommen bei der Lotte. Die ganz oben. Sie hat mi mit ihrem Komputer aufgehalten. Leute dann bei euch an vorher“.
Wir bemühen uns, nicht in lautes Lachen auszubrechen und ziehen uns zurück. In meinem Kopf spukt es herum: Was, zum Kuckuck, hat unsere Hobby-Detektivin wieder herausgefunden? Vielleicht kennt sie den Besitzer des alten, klapprigen Fahrrades, das seit Wochen an der Hauswand lehnt und keinem von uns gehört?
Womöglich ist das so ein unheimlicher Typ, der uns alle ausspioniert? Nein, den hätte sie doch längst verjagt, der traut sich doch gar nicht mehr her! So ein Stück Gugelhupf, das wäre jetzt aber schon gut. Ich schaue auf das weiße Blattl Papier. Ach, liebe Anna-Tant, du hast mich heute um meine Inspiration gebracht! Ich wollt´ doch was schreiben…
© Lotte Maria Kaml 2022-05-21