Abenteuerliche Fahrt zum Mount Everest – 1

Franz Herzog

von Franz Herzog

Story

Es war schwierig, von Lhasa wieder wegzukommen. Im FrĂŒhjahr 1987 konnte ich mich zwar als Einzelreisender in Tibet noch frei bewegen, aber die Busse in alle Himmelsrichtungen waren fĂŒr Tage ausgebucht. Ich durfte keine Zeit verlieren, in 10 Tagen hatte ich meinen RĂŒckflug in Kathmandu. Also schleppte ich um 4 Uhr frĂŒh meine BergausrĂŒstung zur Busstation. Kurz entschlossen hievte ich das GepĂ€ck auf das Dach, wo es der Fahrer festzurrte. Ich stieg ein, aber bald fand sich fĂŒr jeden Platz im Bus ein Tibeter mit einem reservierten Ticket.

Als ich schließlich hilflos in der letzten Reihe stand und meine Lage eingestehen wollte, winkte mich plötzlich der Fahrer nach vorne und wies mir den letzten Platz in der ersten Reihe fußfrei zu, neben einem jungen Lama. Dieser lĂ€chelte mir freundlich zu, so selbstverstĂ€ndlich, als ob uns unser Karma dazu bestimmt hĂ€tte, heute im Bus nebeneinander zu reisen. Dann fuhren wir los. Weiter ging es am nĂ€chsten Tag auf der LadeflĂ€che eines LKW, spĂ€ter mit einem Pferdefuhrwerk. Schließlich stand ich allein im Irgendwo und plagte mich mit 30 kg auf dem RĂŒcken 7 km zu einem Dorf. Dort sank ich erschöpft zu Boden. Eine Frau brachte mir eine Thermoskanne mit heißem Buttertee, der meine Lebensgeister wieder weckte. Die Nacht durfte ich in einer LehmhĂŒtte auf dem Boden schlafen.

Am nĂ€chsten Morgen saß ich auf einem Traktor, mit dem wir ĂŒber den 4000 m hohen Pass Pang La tuckerten. Ich war ĂŒberwĂ€ltigt, der Everest stand plötzlich in seiner ganzen MĂ€chtigkeit vor mir. Im nĂ€chsten Dorf wartete ich tagelang auf ein Weiterkommen. Bauern verkauften mir etwas geröstetes Gerstenmehl, das ich mit Wasser auf dem Gaskocher erhitzte. Meine Sinne waren so angespannt, dass ich schon MotorengerĂ€usche hörte, wo keine waren. Endlich kam ein LKW und ich stellte mich mitten auf die Straße. Der Sherpa-Sirdar einer amerikanischen Expedition durfte aber niemanden mitnehmen. Verzweifelt, aber entschlossen lud ich trotzdem mein GepĂ€ck auf die LadeflĂ€che und kletterte hinauf. Erst jetzt setzte sich der Wagen in Bewegung. Die Sherpas, diese krĂ€ftigen und ausdauernden HochtrĂ€ger, nickten mir freundlich zu, als wollten sie sagen: Ja, so macht man das in Tibet, wenn man sein Ziel erreichen möchte.

Unser LKW blieb im Schlamm stecken und der nachkommende Expeditionsleiter wollte mich nicht weiter mitnehmen. Ich sagte zur chinesischen Dolmetscherin, ob sie „Shi Ling“ sei. VerblĂŒfft las sie eine Notiz in meinem Tagebuch, die eine Freundin von ihr vor einer Woche geschrieben hat. Hocherfreut setzte sie durch, dass ich bis ins Basislager mitfahren durfte.

In den nĂ€chsten Tagen bestieg ich allein mehrere 6000er in der Umgebung des Everest und durchquerte den mit blauen EistĂŒrmen ĂŒbersĂ€ten Rongbuk Gletscher, bis zum Fuß der Mount Everest Nordwand. Mit letzter Kraft erreichte ich nach einem 30 km Marsch vor Einbruch der Dunkelheit mein Zelt. Mit dem Pickel schlug ich noch Eis zum Kochen aus dem Gletscher und schlief dann erschöpft ein.

© Franz Herzog 2019-10-07

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