Abhauen

IDee

von IDee

Story

Wir langweilen uns. Der Tag ist grau und diesig. Es ist Herbst. Warm ist es schon lange nicht mehr. Ella und ich überlegen was wir machen können. Zum Friedhof, das Grab ihres Vaters vom Unkraut befreien? Besser nicht, das ist schon mal in die Hose gegangen. Man war ihre Mutter sauer! Wir sind allein bei Ella zu Hause. Lustlos gehen wir durch alle Zimmer. „Weißt du was“, meint Ella, „wir hauen einfach ab!“ Ich sehe sie groß an. „Wie denn?“ Ich bin ziemlich planlos, so als neun jährige habe ich nicht allzu viel Erfahrung mit dem Abhauen. Ella eigentlich auch nicht, da sie mehr im Krankenhaus war, als zu Hause. Ella öffnet einen Schrank, zieht einen Koffer und eine Reisetasche heraus. Geschäftig läuft sie hin und her und stopft alles Mögliche hinein. „So komm, los jetzt! Hast du Geld?“, fragt sie. Woher sollte ich Geld haben, so was wie Taschengeld gab es früher nicht. Man klebte Rabattmarken in kleine Hefte, dafür bekam man Geld, oder man brachte Leergut zurück. „Nein, habe ich nicht.“ Sie sieht mich an. „Ich auch nicht aber ist egal. Los geht’s.“ Wir verlassen die Wohnung, das Haus. Auf dem Weg zur Straße begegnen wir verschiedenen Nachbarn, die allerdings keine Notiz von uns nehmen. Sie wundern sich auch nicht, dass wir schwer bepackt mit Koffer und Reisetasche sind. So verlassen wir unsere Siedlung. Schleppen unsere oder besser Ellas Habseligkeiten die Hauptstraße entlang. Kurz überlegen wir, ob den Bus nehmen sollen. Dies scheitert allerdings daran, dass wir kein Geld haben. Auch wissen wir nicht in welche Richtung. Folglich laufen wir einfach weiter. Wir malen uns aus wie toll alles wird, rosarot und bunt. Wir reden darüber wie unsere Eltern uns vermissen werden. Vielleicht auch nicht, schließlich haben wir ja noch Geschwister. Seltsamerweise wird unser Gepäck immer schwerer. Ella schleift den Koffer neben sich über den Boden, was ein unschönes Geräusch von sich gibt. Ich wechsele die Tasche von rechts nach links. „Wir hätten was zu essen einpacken sollen“, meint Ella. „Haben wir nicht?“ Mittlerweile befinden wir uns in einem anderen Stadtteil. Gut kennen wir uns hier nicht aus. Ella wühlt mit der Linken in ihrer Jackentasche. „Ha, da schau eine Münze! Da ist ein Bäcker. Ich hole uns jetzt ein Brötchen!“, sagt sie, lässt den Koffer stehen und verschwindet. Wir teilen. „Wo schlafen wir eigentlich?“, will ich wissen. „Keine Ahnung.“ „Was hast du eingepackt?“, mir schwebt so etwas wie eine Campingausrüstung vor. Da steht sie öffnet den Koffer, aus dem nichts als Socken quellen. Ich sehe in die Tasche und erblicke dort das Gleiche. Es ist kalt, es ist dunkel. „Gehen wir zurück?“, fragt Ella. Ich nicke nur. Als ich zu Hause ankomme fragt mein Vater: „Na hattest du einen schönen Tag?“

© IDee 2021-04-25

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