von Svenja Goldmann
Das College, meine Klassenkameraden, Tutoren und Lehrer wurden zu einer großen neuen Familie und so ging die Zeit wie im Flug vorbei und wir saßen eines glücklichen Tages alle zusammen in der nächsten Taverne, um den Abschluss unseres Jahrgangs gebührend zu feiern.
In unseren festlichen Roben standen wir auf der kleinen Bühne aufgebahrt. Zwanzig an der Zahl. Stolze Absolventen, die alle mit einem zufriedenen und freudigen Lächeln in die Menge blickten. Viele der Bewohner des kleinen Städtchens kamen jährlich zu den Abschiedsfeiern. Denn der Tradition entsprechend bekam jeder Barde und jede Bardin ein Musikinstrument geschenkt und so kam auch an diesem Abend der Rektor, Professor Thelius, zu uns getreten. Hinter ihm unsere Lehrer und Lehrerinnen, von denen der ein oder andere ein Tränchen in den Augen hatte. Thelius schritt langsam von einer Person zur nächsten und gab jedem Einzelnen bedachte Worte mit auf den Weg. Stille Worte, die nur für einen selbst bestimmt waren und laute Worte, die die feiernde Menge mit Freude im Chor wiederholte. Er überreichte anschließend die Instrumente.
Als er vor mir stand, überschlug sich mein Herz in meiner Brust. Ich hatte nie viel mit dem grauhaarigen Elben zu tun gehabt, doch sein Lächeln wirkte freundlich und stolz und eine Wärme erfasste mich. Er hatte leicht den Kopf geneigt und mit ruhiger Stimme gesagt: „Auf, dass du eines Tages aus zwei ganzen Hälften bestehst.“ Ich wusste nicht, woher er das Wissen in seinen Worten nahm, aber ich nickte und er verkündete mit lauter Stimme, während er eine Kalimba in die Höhe streckte: „Auf Orraa. Bardin und Geschichtensammlerin!“
„Auf Orraa!“
Da stand ich inmitten meiner Klassenkameraden und strahlte über beide Ohren, nahm die Kalimba entgegen und ließ eine ihrer Tasten mit meinem Fingernagel anklingen. Der Ton war leise und für niemanden der Anwesenden, außer mir zu hören. Ich liebte es.
Es war ein Fest voller Musik, Tanz, Gesang und munterem Trinken, das bis in die frühen Morgenstunden andauerte. Das Spielen der vielen Instrumente zusammen schien eine Magie im Raum zu schaffen, der alle Müdigkeit und alle Sorgen vertrieb.
Es war das erste Mal, dass ich Bedauern verspürte, einen Ort verlassen zu müssen. Oremond hatte ich mit einer Freude verlassen, die all das Neue mit sich gebracht hatte, aber nun wusste ich nicht, wohin mich mein Weg genau bringen würde. Aber es war nicht die Angst vor dem Neuen, sondern die Angst, etwas hinter sich zu lassen, das so schön gewesen war.
Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb erinnere ich mich gerne an diesen Abend. An die Stunden, die mir so zeitlos vorkamen und fast zu schön für diese Welt waren.
© Svenja Goldmann 2022-08-29