Abschied nehmen

Story

Wer mich kennt, wird schon wissen, so traurig wird es jetzt nicht werden. Nur ein bisschen. Es fing an, als ich eines Tages mit dem Auto unterwegs war von Salzburg zu meiner flĂĽchtigen Paddelbekannschaft nach Graz. Daher kann ich die Zeit ziemlich genau eingrenzen: 1983.

Ich fuhr so dahin, die Hände fest am Lenkrad. Als ich mir eine Zigarette nahm, oh Gott, in voller Fahrt, das darf man heute gar nicht mehr sagen… Ich also Zigarette angezĂĽndet, beim neuerlichen Umgreifen des Lenkrades sah ich etwas mir Neues, ich hatte Falten, am HandRĂśCKEN!

Darum geht es heute, um den langen, leisen Abschied von gewissen Bildern, die einem der Spiegel und das Leben so zurückwirft. Kaum hat man sich an die Falten am Handrücken gewöhnt, kommt die nächste Baustelle. Und so weiter, bis zum Schluss. Lange hab ich dann ganz genau geschaut bei der Madonna. Die war ja prall gefüllt an allen Stellen! Da las ich eines Tages, dass sie dafür 17 Stunden täglich Pilates, wahrscheinlich sogar Herodes, trainieren muss. Ok, das ist ein sehr hoher Preis. Das hat sie dann auch wirklich verdient.

Ich überspringe jetzt viele Jahre, bis zu dem Moment, als eine Oma-Kollegin erzählte, dass sie „Fledermaus-Ärmel“ hätte. Ihre = auch meine Enkelchen hatten ihr davon berichtet. Sie hob die Arme. Da waren sie. Abends waren sie auch bei mir eingetroffen! Vorher hatte ich sie nie bemerkt. Ich glaube, auch bei Madonna einen Anflug von Fledermaus gesichtet zu haben. Sie trainiert jetzt auch weniger, kauft mehr Kinder aus Afrika. Prioritäten ändern sich.

Es folgten weitere Abschiede, die nicht unmittelbar mit der Unterversorgung der Haut mit Collagen und Hyaluron zu tun hatten. Ich fiel mit den Zwillingen eistanzend hin, doppelter Armbruch. Der Arm, der auch schon im Sinai zu Bruch ging. Jetzt esse ich nur mehr Eis, die Eselin ist feige geworden. Ich überspringe jetzt einige Röntgenbilder.

Der Anlass zur heutigen Geschichte ist erst wenige Stunden her. Vor einigen Monaten hörte ich im Fernsehen, dass Statement-Ärmel in sind. Hab mich damals sofort hingesetzt und eine Story geschneidert. Die entsprechenden Ärmel hatte ich noch nicht im Schrank, es war ja schon abends. Und jetzt zum Punkt:

Heute Vormittag war ich Lesepatin. Wenn ich schon in der Stadt bin, geh ich – das ist tatsächlich eine Art Sucht – zum ZARA. Da streife ich herum, greife alles an, probiere einiges, kaufe weniges, immer noch zu vieles. (Bitte steinigt mich deswegen jetzt nicht, ihr starken Göttinnen des Glücks, die ihr das alle nicht braucht. Ich bewundere euch sehr!)

Da sah ich eine weiße Bluse mit Statement-Ärmeln! Naürlich, alles im SALE! Ich in die Kabine. Ausgezogen, angezogen. In den Spiegel geschaut. Und der Wahrheit ins Gesicht. Da sah ich, wie ich meinen eigenen Kopf schüttelte und mir zuflüsterte:

Ouh Nou!!! Mit 17 wunderbar, an einer schönen 40-Jährigen auch noch, aber definitiv nicht an dieser mir ziemlich fremd anmutenden Dame im Spiegel. Ein hartes Selfie Statement! Innen bin ich definitiv jünger!!

© 2020-01-22

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