Abschied nehmen

Ina Appeltauer

von Ina Appeltauer

Story

Viele Dinge im Leben fordern später ihren Tribut. Eine weltweite Pandemie ist da nicht anders. Mein Tribut ist der Abschied. Ich kann nicht mehr tschüss sagen und lächeln. Ich kann nicht sagen bis später und mir sicher sein, dass ich die Person je wiedersehe.

Ich verabschiede mich. Und so fĂĽhlt es sich auch an: wie ein Abschied. Ich schlieĂźe die Augen. Atme langsam und tief aus. Senke meinen Kopf.

“Ist alles in Ordnung?”, fragt man mich dann.

“Ja,” sage ich dann, “ich habe nur nachgedacht.”

Doch das ist Lüge und Wahrheit zugleich. Ja, ich habe nur nachgedacht. Nachgedacht darüber, wann wir uns wiedersehen. Ob wir uns wiedersehen. Darüber wie kaputt ich bin. Wie sehr ich nicht mehr kann. Wie sehr ich jemanden bräuchte. Nein, nichts ist in Ordnung.

Ich schreibe in der Bahn, obwohl mir davon schlecht wird, weil es sich dann eher so anfühlt, als wäre da jemand der mich hört. Alleine mit einem weißen Blatt. Ganz so stimmt das nicht – allein mit einem Haufen weißer lichtpunkte auf meinen Bildschirm. Ob sich die weißen Lichter wohl auch einsam führen, wenn schwarze Wörter sie trennen?

Ich bin schlecht geworden im Abschied nehmen. Schlecht im allein sein. Was frĂĽher kein Problem war, das ist jetzt mein Tod.

Nach dem Date, das fantastisch lief heim um zu weinen. Sich an Laternen und Bäumen festhalten, um nicht umzufallen. Immer vermissen.

Vermissen auf eine Art, die ich frĂĽher nicht kannte. Vermissen auf eine Art, die Brauchen bedeutet.

Eine letzte Umarmung und dann schnell in den nächsten Zug. Dort Tränen in den Augen.

Menschen nachhause bringen nach einem Wochenende. Tränen in den Augen.

“Sei nicht so pessimistisch, du hast sie doch gerade erst gesehen, jetzt sei lieber froh, dass du sie sehen konntest.“

Ein Lächeln, das falscher nicht sein hätte können.

“Du hast recht, das war schön.”

War. Ein Wort in meine Seele eingebrannt wie ein Tattoo. Tief unter der Haut bleibt es dort und verblasst nur langsam. Es kann Jahre dauern. Noch Stunden, nach denen es gefallen war, hallt es in meinem Herzen. Dort wo frĂĽher ein Brunnen voll Liebe war ist jetzt nichts mehr. Ein kleiner Bach, dessen Wasser kaum fĂĽr zwei Pflanzen reichen wĂĽrde.

Und so bin ich hier, hoffe jeden Tag, jemanden sehen zu können. Jemanden der mir sehr viel bedeutet. Und ich hoffe nie wieder Tschüss sagen zu müssen, während eine einzelne Träne langsam über meine Wange rollt.

© Ina Appeltauer 2021-03-17

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