Abschied von Hektor

Gudrun Winklhofer

von Gudrun Winklhofer

Story

Abschiedsbrief an einen Seelenhund, der mich von 1991 bis 2004 begleitete.

Dann war er da, dieser Tag, den ich seit Jahren gefürchtet hatte. Ich musste mit dir den letzten, den schwersten Gang antreten. So sehr hatte ich gehofft, dass uns das erspart bliebe, dass du eines Tages einfach einschlafen und nicht mehr erwachen würdest, dass dein treues Hundeherz im Schlaf zu schlagen aufhören würde.

Schon am Tag zuvor warst du schwach. Du mochtest kaum etwas fressen, nach ein paar Bissen stolpertest du in den Garten, warst lange draußen. Ich saß am Schreibtisch, du kamst zu mir und lehntest dich an mich. Ich hob dich hoch, legte dich auf deinen Lieblingsplatz auf der Couch, hielt dich fest und drückte mein Gesicht in dein weiches Fell. Wie oft hatte ich in dein Fell geweint, wenn ich traurig war, wie oft hattest du mich getröstet, indem du zu mir gekommen warst und deine Pfote auf mein Knie oder deinen Kopf in meinen Schoß gelegt hattest. Ich streichelte dich, nahm Abschied. Seit langem schon war mir bewusst, dass es ernst wäre, wenn du nicht mehr auf das Sofa springen könntest, und irgendwie hatte ich geahnt, dass dieses Jahr dein letztes sein würde. Du warst etwas dünner geworden in den Wochen zuvor, aber du warst ein fröhlicher Hund wie eh und je, zum Spazierengehen und zum Spielen aufgelegt und verfressen. Du zeigtest keinerlei Anzeichen von Krankheit oder Schmerzen.

Auch in deiner letzten Nacht hob ich dich auf das Sofa. Ich legte mich zu dir, um dir nicht das Gefühl zu geben, alleine zu sein. Ich schlief kaum, wachte immer wieder auf und sah nach dir, fühlte, ob du noch atmetest; ja, du atmetest noch. Morgens wolltest du nicht hinausgehen, du nahmst auch wieder nur ein paar Bissen von dem Futter, das du immer so gerne mochtest. Dann gingst du in den Garten, in die hinterste Ecke; besorgt folgte ich dir. Du gabst das Wenige, das du gefressen hattest, gleich wieder von dir, aber aus deinem Maul kam nicht nur das Futter, sondern zäher, gelber Schleim. Du schobst mit deiner Schnauze Erde darüber, als würdest du es vor mir verstecken wollen. Mit Tränen in den Augen und zitternden Fingern rief ich erst den Tierarzt, dann Gregor, meinen Freund, an. Dann begaben wir uns auf unseren letzten gemeinsamen Weg.

Es brach mir fast das Herz, als du am Untersuchungstisch lagst, so hilflos. Ich nahm deinen Kopf in meine Hände, sah in deine treuen dunklen Augen. Spürtest du, dass das der Abschied war? Spürtest du, dass wir bei dir waren? Ich wollte dir so viel Zärtlichkeit wie möglich mitgeben, ich hielt dich in meinen Armen bis zum Ende, streichelte dich und schloss dann sanft deine Augen.

Beinahe fĂĽnfzehn Jahre warst du alt, als wir dich zur RegenbogenbrĂĽcke begleiten mussten, damit du deine letzte Reise antreten konntest. In meinem Herzen und in meinen Gedanken wirst du immer bleiben – du fröhlicher Herzensbrecher, Charmeur und Kampfkuschler, du Hilfsgärtner, der einen Minibagger ersetzen konnte, du Ball-Junkie und lustiger Clown, du Wasserratte, du verfressener Dieb, du bester Personalchef mit dem richtigen GespĂĽr fĂĽr Menschen, du Seelenhund – das Leben mit dir war nie langweilig!

© Gudrun Winklhofer 2020-04-18