von Sybille B. Lindt
Wenn man von Nordosten in die Niederlande fährt, um berühmte holländische Städte oder Badeorte auf Schnellstraßen zu erreichen, dann lohnt es sich, von der A7 auf die Landstraße nach Delfzijl abzufahren. Wenigstens für einen Fotostopp. In einen kleinen Ort, der auf keiner Landkarte zu finden ist. Auch ich wäre nie nach Spijk gekommen, wenn nicht mein Freund Pieter umgezogen wäre. Ich hatte Pieter und seine Familie Mitte der 80er Jahre in Ungarn, auf einem Zeltplatz am Donauknie getroffen. Unsere schlichten Zelte standen nahe beieinander, wir tranken Kaffee Haag und unterhielten uns neun Stunden lang. Am Morgen fuhr ich weiter, doch die Freundschaft hielt, auch über die Berliner Mauer hinweg. Nach dem Berufsleben war Pieter von Eindhoven in den Norden gezogen, wo man sein Land noch unverfälscht kennenlernen kann. Beim letzten Besuch empfahl er, über Friesland zurückzukehren und das Museum des Malers Jopie Huisman in Workum zu besuchen. Diesmal zeigte mir der Freund seine Umgebung. In Delfzijl das Cafe´, wo Simenon die Figur des Maigret erfand, den Industriehafen in Eemshaven, dann fuhr er an Äckern und Wiesen vorbei nach Spijk, hielt. Ich war sofort in den Ort verliebt. Er besaß alles, was es an Holland-Klichees gibt auf wenigen Quadratmetern -die Windmühle, kleine rote Backsteinhäuser, die Kirche im Zentrum und einen Kanal, in dem sich Häuser und Bäume spiegelten. Ich war fasziniert von der Harmonie und Schönheit des Dorfes, spürte sofort, dass dies ein historischer Ort sein musste. Schon seit dem 7.Jh. v.Chr. siedelten hier Menschen. Gegen die Fluten der Nordsee schufen sich die Vorfahren am Emsdelta Runddörfer auf künstlichen Hügeln (Wurten), was in Spijk noch gut zu erkennen ist. In der Mitte steht die Andreaskirche, ein Vorgängerbau aus dem 13. Jh. brannte im 17.Jh. ab, wurde wieder aufgebaut, weiß abgeputzt. In der Kirche befindet sich eine Van-Dam-Orgel vom Ende des 19.Jh. Zwei Adelsgeschlechter besaßen in Spijk einst Burgen, Reste finden sich noch an der Brücke über den Kanal Spijksterriet, der in natürlicher Kurve die Kirche umspielt. Die historische Windmühle Ceres, von 1839 bis 1987 im Besitz der Familie Houtman, wird heute noch genutzt. Die Backsteinhäuser des Dorfes sind rund um die Kirche und den Kanal gruppiert, herausgehoben das Gemeindehaus mit weiß gestrichener Balustrade. Der Ort ist beliebt bei Wanderern und Fahrradtouristen aus Groningen, Appingedam und Delfzijl kommend, wo man übernachten kann, z.B. im Eemshotel in Delfzijl, das auf Pfählen im Wasser steht. Ich gehe um die Kirche herum und fotografiere, obwohl es nieselt. Aus einem Hauseingang schaut eine Ente neugierig zu. Als es dämmert brechen wir auf. Ich war in Utrecht, Amsterdam, Leiden und Delft wegen der alten niederländischen Maler. Habe bedeutende Städte der Welt gesehen. Doch dieses stille malerische Dorf in der Provinz Groningen hat sich einen Platz an der Wand meines Wohnzimmers erobert.
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© Sybille B. Lindt 2021-02-11