Ach Maus

Shelly Further

von Shelly Further

Story


Ich war mittlerweile 27 und befand mich in einer JGA-Gruppe bei WhatsApp. Eine andere Freundin sprach vom Hausbau, ein paar andere hatten Kinder. Und während alle mittlerweile irgendwie mehr oder weniger Erwachsen geworden waren, schleppte ich mich nach sieben Tagen Dienst um kurz vor sieben Uhr morgens nachhause. Ich war müde und generell etwas emotional. Nach sieben Jahren würde ich bald meine Station wechseln, was mich mit Freude und Sorge zugleich überfiel. Der Gedanke daran, meine Komfortzone verlassen zu müssen, versetzte mich in Panik. Die letzten Tage war es warm gewesen, deswegen hatte ich die Balkontüre über Nacht offen gelassen. Erschöpft schleppte ich mich in meine Küche, um noch rasch etwas zu frühstücken, bevor ich schlafen gehen würde. Irritiert schaute ich auf das dortige Fensterbrett. Meinem Pflanzensetzling fehlte die Hälfte an Erde, diese lag neben dem Topf. In meinem Kopf kämpfte „Finde raus was da passiert ist“ mit „Kümmere dich darum, wenn du ausgeschlafen bist“. Nummer 2 gewann. Seufzend ließ ich mich mit meinem, noch warmen, Croissant vom Bäcker auf den Stuhl plumpsen. Ich würde heute nicht lange schlafen können. Einmal die Woche passte ich auf meinen pflegebedürftigen Nachbarn auf, damit seine Frau einkaufen oder spazieren gehen kann. Egal, danach würde ich wieder schlafen können. Erschrocken und mit einem Filmreifen Schrei sprang ich auf. Ich hatte im Augenwinkel doch wirklich eine Maus vorbeirennen sehen. Mein Herz raste, nicht vor Angst, eher vor Ekel. Ich fand Mäuse süß, nicht falsch verstehen, aber nicht in meiner Wohnung. Und was machte man mit siebenundzwanzig, wenn man nicht weiter wusste? Papa anrufen. Ganz klar. Der kam völlig verschlafen zur Hilfe. Meine Müdigkeit war weg. Wir zerlegten mein riesiges Sofa. Keine Spur von der Maus. Während mein Vater völlig genervt meinte, ich solle jetzt doch einfach schlafen und später eine Falle kaufen, war ich ein nervliches Wrack. Ich schlief kaum. Und dann klingelte auch schon mein Wecker. Also ab zum Nachbarn, danach direkt zum Baumarkt. Ich mag Tiere wirklich gern, deshalb erschien mir die Mausefalle auch viel zu klein. Sie sollte ja schließlich keinen Herzinfarkt bekommen. Also kaufte ich eine Rattenfalle. Fasziniert davon, dass Mäuse sich wunderbar mit Nutella Toast anlocken lassen, rief ich bei meiner neuen Station an um den Dienstplan abzufragen. Anschließend bekam ich eine Panikattacke, weinte zwei Stunden und ging schließlich um zwanzig Uhr ins Bett. Zu viel auf einmal. Um drei Uhr nachts wachte ich auf, weil ich die Maus laufen hörte. Um acht Uhr wachte ich auf, weil die Falle zuschnappte und kurz darauf weinte ich schon wieder, weil die Maus ihren Fuß in der Falle eingeklemmt hatte und dieser eindeutig komplett zertrümmert war. Während ich also mit dem nächsten Nervenzusammenbruch kämpfte und überlegte mit der Maus zum Tierarzt zu gehen, fragte meine Mutter, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte. Ich setzte die Maus im Wald aus, in der Hoffnung das sie überlebte und nicht allzu große Schmerzen leiden würde. Töten konnte ich sie einfach nicht. Meine Hündin hatte die Maus die ganze Zeit nicht bemerkt, trotz jungem Alter und ausgeprägtem Jagdtrieb. Und ich fragte mich, wann ich von Hausbau und Kinderkriegen reden würde und ob ich das überhaupt wollte. Ich erzählte meiner besten Freundin von den letzten achtundvierzig Stunden. „Ach Maus“, seufzte sie. 

© Shelly Further 2025-05-13

Genres
Romane & Erzählungen