von NeleChryselius
Ein ganz besonderes Geschenk sollte es sein! Schließlich war es Neles 21. Geburtstag und sie wurde volljährig! Ihr Vater, der nie für Geschenke zuständig war, überließ es ausnahmsweise nicht der Mutter, das Präsent zu kaufen. Feierlich überreichte er Nele die Perlenkette, ganz sicher mit den besten Absichten.
Aber dann hat er’s komplett vermasselt.
Überkam ihn plötzlich eine Art Verlegenheit oder war es schlicht die mangelnde Übung, die passenden Worte zu finden? Vielleicht fiel ihm genau in diesem Moment ein, dass er sich um mich sorgte. Die Freude, dass mein Papa, ja mein Papa! mir ein so schönes Geschenk machte, wich in Nullkommanix der Beschämung, als er, meine Augen mit ernster Miene fixierend, sagte: “Der Mann, der dir eigentlich eine Perlenkette schenken sollte, ist ja nicht in Sicht und wird wohl auch nicht mehr auftauchen.”
Sollte ich mich mit 21 als alte Jungfer fühlen, die “keinen abgekriegt hat“? Wie unglücklich ich war, dass ich den Richtigen noch nicht gefunden hatte, ahnte er sicher nicht und traf mit seiner Bemerkung ins Schwarze meiner Liebessehnsucht.
Die Perlenkette verschwand erstmal in der untersten Schublade. Ich habe sie viele Jahre nicht getragen. Zu tief saß die Verletzung und mit den Männern war es ein ewiges Auf und Ab. Dieses fehlende Glück musste ich mir mit der Kette nicht noch mehr vor Augen führen.
Irgendwann fand ich sie dann doch schön – die Kette und vor allem den einen, den richtigen Mann. Dass ich “in festen Händen“ war, wie mein Vater meine Partnerschaft kommentiert hätte, hat vielleicht auch dazu beigetragen, dass ich die hübsche Kette nun gern trug.
Ich dachte immer mal wieder an die verletzenden Worte meines Vaters. Meistens dann, wenn der blöde Verschluss mal wieder hakelte und mich an die hakelnde Beziehung zu meinem Vater erinnerte.
Als die Kette in die Jahre kam, wurde der Faden, der sie zusammenhielt, brüchig. Ich ließ die Perlen neu auffädeln und dachte: Na, Papa, wär‘ schön gewesen, wenn wir zwei unser brüchiges Verhältnis auch neu hätten auffädeln können. Aber da war er schon lange tot.
Kürzlich hielt der widerspenstige Verschluss meiner Ungeduldnicht nicht mehr stand und brach entzwei. Das unpraktische Teil musste ersetzt werden. Die Goldschmiedin schlug einen kugelförmigen, einfach zu bedienenden Magneten als Ersatz vor. Geniale Idee! Nie wieder werde ich fluchend am Verschluss herumnästeln!
Als ich die reparierte Kette das erste Mal anlegte, dachte ich: Papa, ich bin sicher, du hättest deine Freude, wenn wir zwei, wie die beiden Kugelhälften, unkompliziert zueinander gefunden hätten! Nur mit Kraftaufwand sind sie zu trennen!
Ach Papa, diese Verbundenheit hätte uns glücklich gemacht!
© NeleChryselius 2021-06-29