Achtung Abgrund

JuliaGe-Punkt

von JuliaGe-Punkt

Story

Als ich noch kinderlos war, ging ich sehr gerne und ausgedehnt wandern. Meistens in Begleitung meines besten Freundes und oft in der Gegend des Lainzer Tiergartens und des Wiener Waldes, aber auch andere Gegenden waren vor uns nicht sicher. Einmal beschlossen wir gemeinsam zu einem Ort zu wandern, der sich “Mitzi langer Wand” nannte, einfach, weil es uns wahnsinnig witzig vorkam. Die Gegend gefiel mir und so beschloss ich, eines Tages, alleine dort hin zu wandern und dann weiter auf die Perchtoldsdorfer Heide zu gehen. In meiner Wahrnehmung lag diese nämlich im direkten Anschluss zu “Mitzi langer Wand”.

Als ich ganz oben am Hügel (Berg darf man in Wien nämlich nicht sagen, das habe ich in Kärnten und in der Steiermark bereits gelernt) ankam, stellte ich fest, dass die Perchtoldsdorfer Heide durch ein Tal von meinem Standort getrennt war. Nun war ich aber schon ganz oben angekommen und zurückwandern kam für mich nicht infrage, da ich generell lieber den direkten Weg gehen wollte, um keine Zeit zu verschwenden.

Vor meinen Augen war groß und deutlich ein rotes Schild angebracht, auf dem in großen Lettern geschrieben stand: ACHTUNG ABGRUND

Ich blickte noch einmal auf den eigentlich gar nicht so weiten Weg zurück, von dem ich gekommen war und dann wieder auf das Schild. Nun, Julia, jetzt musst du dich entscheiden. Die paar Kilometer zurückgehen, oder dich ins Abenteuer stürzen? Ich ging ein paar Schritte auf den angeblichen Abgrund zu und befand ihn für ungefährlich. In meiner unbekümmerten Wiener Art dachte ich: “Wo is des a Abgrund?” und stieg ganz arglos den Abhang hinunter. Die ersten paar 100 Meter waren auch kein Problem und den Grund konnte ich von hier ohnehin noch lange nicht sehen, also ging ich weiter steil bergab. Immer steiler und steiler.

Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich meine Entscheidung bereute, denn es wurde so steil, dass ich mich auf meinem Hinterteil, sitzend und rutschend fortbewegen musste. Irgendwann fiel es mir zu schwer das Gleichgewicht zu halten und so beschloss ich den großen Rucksack abzunehmen und ihn den Hang hinunterzuwerfen. Ich musste mich an kargem Wurzelwerk festhalten, welches sich kaum verankert in der Erde befand, um nicht abzurutschen, doch irgendwann passierte das unvermeidbare.

Ich fand keinen Halt mehr, nichts mehr zu fassen und stürzte den immer karger werdenden Kalkhang hinab. Glücklicherweise war es zum Grund nicht mehr allzu weit und so stürzte ich nur einige Meter, um dann in irgendjemandes Garten zu landen. Wiedervereint mit meinem Rucksack, kletterte ich über den Zaun und musste eine Schnellstraße überqueren, um endlich an mein eigentliches Ziel zu gelangen. Ich setzte die Reise fort, als ob nie etwas gewesen wäre und freute mich, diesen Sturz ohne gröbere Verletzungen überstanden zu haben. Als ich dann aus weiter Entfernung betrachten konnte, wo ich da hinunterkeklettert/gefallen bin, stockte mir der Atem und ich machte das erste Kreuz-Zeichen meines Lebens.

Danke!

© JuliaGe-Punkt 2021-04-03

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