von Erdmann Kühn
Große Aufregung in meiner fünften Klasse. Wir sitzen im Klassenrat zusammen im Stuhlkreis. In der Frühstückspause wären zwei Schülerinnen aus der 10 hereingekommen.
Die haben uns beleidigt!
Was haben sie denn gesagt?
Boah, wie viele Neger habt ihr denn hier in eurer Klasse?
Ich verstehe die Empörung und verspreche, mich zu kümmern. Die eine heißt Sarah! Okay, ich frage bei meinen Kolleginnen in der 10. Stufe nach einer Sarah und schildere den Vorfall.
Zwei Tage später in der Kunststunde. Es klopft an die Tür. Draußen stehen zwei große Mädchen, eine stellt sich als Sarah vor. Sie wollen sich entschuldigen. Es sollte ein Scherz sein, aber sie sehen ein, dass er nicht lustig war. Mir klappt der Unterkiefer auf vor Erstaunen. Sarah hat sehr dunkle Haut!
Ich bitte die beiden herein. Sie trauen sich auch vor der ganzen Klasse, ihre Entschuldigung loszuwerden. Die Klasse ist beeindruckt und nimmt an. Meine Kollegin Linda schaltet sich ein. Sie hilft in einigen Stunden mit und ist ebenfalls dunkelhäutig:
Wir sind ja hier in der Klasse zu fünft mit afrikanischen Wurzeln. Toll, dass die Klasse so gut reagiert hat und diese Bemerkung nicht unter den Teppich gekehrt hat!
Jetzt schaut sie Sarah an:
Toll, dass du deinen Fehler so mutig wieder gutmachst! Und weißt du, was wir Afrodeutsche nie tun sollten? Uns als Neger in der Öffentlichkeit bezeichnen! Auch nicht zum Scherz! Sonst denken die anderen am Ende, das wäre okay und die können uns auch so nennen!
Bild: Trust-Tru-Katsande, unsplash
© Erdmann Kühn 2021-03-03