von Luca Rosner
Endlich stehe ich allein in diesem Raum. Ursprünglich dazu verbannt, den Hintergrund zu gestalten, spüre ich tief in mir verborgene Potenziale – ungelebte Nuancen, die danach verlangen, ins Rampenlicht zu rücken. Die Jahre, die ich als Teil einer Band verbracht habe, die sich auf die großen Bühnen vorbereitete, waren geprägt von einem gemeinsamen Traum – als vereintes musikalisches Kollektiv die Welt zu erobern. Nein. Sie zu überstehen. Im Schatten dieses Traums wuchs eine Dunkelheit heran, die ich nicht mehr ignorieren konnte. Wut, die sich in den Blasinstrumenten entlud, tobte verheerend durch mein Innerstes, und ich erkenne, dass ich diese Energie in meine Musik einbringen muss, ihre Ursache nicht in den kleinen Trompetentrichtern suchen kann. Leiser Hintergrundgesang der Selbstzweifel in meinem Kopf musste transponiert werden. Statt ihn zu unterdrücken, nutze ich ihn, um meine Songtexte ehrlicher und authentischer zu gestalten, darüber hinaus höre ich nicht hin, bis er zurück ins Nichts tritt.
Trauer, schwere Akkorde auf einer Rhythmusgitarre, floss in meine Melodien ein und verleiht ihnen Tiefe. Schuld, die mich wie die Schläge einer Gitarre traf, wird zu einem Antrieb, meine Fehler zu akzeptieren und aus ihnen zu lernen. Sanfte Töne des Keyboards der Sozialangst, die mich lange zurückhielten und mir Masken aufsetzten, werden zur Inspiration für introspektive Lieder, die die Ängste ansprechen, die viele von uns teilen. Die Verleugnung, einst eine dumpfe Basslinie in meinem Inneren, wird zur Basis für meinen neuen Ansatz. Ich nehme diese Emotion auf und lasse sie den Rhythmus meiner Kreativität bestimmen. Ebenso die Isolation, die mich als erste Violine von den anderen Streichinstrumenten trennte, nun ein Ansporn ist, mich mit anderen zu verbinden und gemeinsam etwas Neues zu erschaffen. Versagensängste, die wie der schlagende Puls eines Schlagzeugs in meinen Gedanken erklangen, treiben mich an, härter zu arbeiten und meine Fähigkeiten zu verbessern. Mein innerer Perfektionist, der sich nach akkuraten Schlaginstrumenten sehnte, lernte, dass wahre Schönheit oft in den kleinen Unvollkommenheiten liegt. Endlich erkenne ich, was mich verformte. Der Dämpfer meines Schalls wurde ein Trichter, der meine Töne bekräftigt.
Meine Finger gleiten über die Tasten, im Einklang mit meinem pulsierenden Herzen. Streichinstrumente erinnern mich mit über mir gespannten Bögen daran, dass ich auch mir selbst gute Gesellschaft leiste, während die Blasinstrumente meine Wut in kraftvolle Klänge verwandeln, die argumentieren und etwas bewegen wollen. Das Keyboard fließt mühelos zwischen den Noten der Authentizität, während mich die Gitarre Vergebung lehrt und das Schlagzeug den Herzschlag meiner Entschlossenheit schlägt. Alle diese Elemente verschmelzen zu einer einzigartigen Symphonie – „Accelerando“, befehle ich, und meine Melodie erklingt emsig, begleitet von einem Orchester aus meinen eigenen inneren Kräften. Ich begegnete mir selbst und schreibe nun Lieder, mache jede Note, jeden Ton, jedes Instrument zu meinem eigenen und komponiere damit die Symphonie meines Lebens. Anstatt zu lauschen, wie sie von anderen umgesetzt wird, bin ich begeistert von der Wirklichkeit, die ich Schritt für Schritt um mich herum erschaffe.
© Luca Rosner 2023-08-07