Allahu Akbar!
Andächtig lauschten wir dem Gebetsruf der Muezzine, die abwechselnd eine Sure nach der anderen aus dem Koran sangen, die immer mit “Gott ist Größer, als…“ beginnen. Wir waren junge Eltern, blickten über den Bosporus und genossen die türkisch-orientalische Atmosphäre in einem Park zwischen Hagia Sofia und Blauer Moschee.
Wir saßen und hörten, wir saßen und rochen und wir saßen und schauten. Gänsehautfeeling der besonderen Art, denn wir hatten Urlaub von den Kindern und Allahu Akbar war noch nicht zum Drohruf von Terroristen geworden. Aber dann:
Eine Frau, sie trug Hidschab, setzt sich zu uns auf die Bank. Sie hatte bemerkt, wie ergriffen wir waren und begann uns auf Deutsch die Lobpreisungen ihres Glaubens aufzuzeigen. Der Islam wäre der wahre Glaube. Sie untermauerte ihre Ausführungen damit, dass die vormalige Sophienkirche später zu einer Moschee umgewandelt worden wäre und wertete diesen Umstand als Sieg des Islams. Sie vergaß in ihren Ausführungen zu erwähnen, dass das Gebäude zum damaligen Zeitpunkt – in den 90iger Jahren – als Museum Verwendung fand. Sie fantasierte darüber, dass es in ganz Europa und auch in Innsruck diesen Ruf zu hören gäbe, wenn wir uns dafür einsetzen würden. Wir könnten also immer so ergriffen sein.
Höflich hörten wir der Dame eine Weile zu, wir wollten nicht auf Konfrontation gehen aber dennoch nicht unerwähnt lassen, dass wir mit unserem Glauben ganz gut lebten und wir nichts daran ändern wollten. Wir waren weit davon entfernt, eine politische oder gar politisch-religiöse Diskussion in unserem Urlaub vom Zaun zu brechen.
Über die Jahre reisten wir recht viel. Bestaunten viele Städte, wie Paris, London, Barcelona, Rom usf. Überall wurden uns Kirchen gezeigt. Prachtvolle Dome, von Normannen erbaut, von Barockfürsten und absolutistischen Herrschern in Auftrag gegeben. Von Ablässen gläubiger Menschen finanziert und in mühevollen gemeinsamen Anstrengungen über lange Zeit hinweg entstanden, waren und sind Kirchen bis heute besondere Orte. Uns wurden sogar Kirchen und Tempel in China und in den baltischen Staaten gezeigt. Auch in Russland standen wir Schlange vor wieder errichteten Kirchen und Umrissen von im Kommunismus abgetragenen Gotteshäusern. Nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wurde uns keine einzige Kirche gezeigt. Zum Willkommen in den USA führte man uns in ein Kaufhaus, denn von dort konnte man die Statue von Christoph Columbus am besten bestaunen. Das kam uns seltsam vor.
Unsere Reiseroute im Türkeiurlaub von damals führte uns weiter nach Demre, in der das erste Grabmal des Hl. Nikolaus von Myra in einer ehemaligen Kirche als Sehenswürdigkeit gezeigt wird. Mehr scheint es für so manchen Touristen nicht mehr zu sein, denn wir beobachteten eine Frau, die sich auf dem Altar der Kirche genüsslich rekelte, um dem Freund ein besonderes Fotomotiv zu bieten. Respekt vor einem Gotteshaus und vor Kultstätten, von welcher Religion auch immer, sieht anders aus!
© Sabine Sulzenbacher 2021-02-03