Alleine gegen die Rosinen

Barbara Neubauer

von Barbara Neubauer

Story

Stimmt nicht. Ganz alleine bin ich sicher nicht. Aber, wenn du mich schon fragst, ich bin eindeutig gegen Rosinen. Diese braune, verschrumpelte Form, die an die Ausscheidung eines Hasen erinnert. Der verrĂ€terisch sĂŒĂŸliche Geschmack, der weder lieblich noch fein ist. Das klebrige GefĂŒhl auf und in den ZĂ€hnen, in denen sie sich verfangen und festpicken. Mir wird schon ĂŒbel, wenn ich nur daran denke. Kurz zusammengefasst: Rosinen sind hĂ€sslich, schmecken scheußlich, haben eine widerliche Konsistenz und riechen schwefelig sĂŒĂŸ bis ranzig. Das rĂŒhre ich nicht an. Wenn es nach mir ginge, könnten sie gĂ€nzlich abgeschafft werden.

Könnte ich sie auch lieben? Wenn sie in Rum eingelegt sind und
 Nein, ich kann sie nicht lieben! Rote, blaue und grĂŒne Weintrauben, ja, aber braune Rosinen? Keine Chance!

In einem Film habe ich gesehen, dass es in der WĂŒste Taklamakan in Zentralasien spezielle Lehmbauten gibt, durch die der Wind wehen kann und so die Weintrauben zu Rosinen trocknet und dörrt. Die Lehmziegel dieser RosinenhĂ€user sind versetzt aufeinander gebaut, dass sich eine Vielzahl an Öffnungen ergeben. Die Trauben werden auf HolzgerĂŒste gehĂ€ngt und stĂ€ndig vom WĂŒstenwind umweht. Sie sind durch die Lehmziegel vom Sonnenlicht geschĂŒtzt, wodurch sich die Farbe der Trauben bei der Trocknung nicht Ă€ndert.

Wie wĂ€re es wohl, durch so ein Rosinenhaus zu gehen und den Duft der Trauben von allen Seiten wahrzunehmen? WĂŒrde da ein GefĂŒhl von Nikolaus, Apfelstrudel und Gugelhupf oder von Orient, Curry und Couscous entstehen? WĂŒrde der sĂŒĂŸliche Duft auch die umliegende WĂŒstenlandschaft erfĂŒllen?

Ich könnte mir vorstellen, dass ich die Rosinen aus diesen RosinenhĂ€usern mögen könnte, denn sie behalten ihre grĂŒne Farbe. GrĂŒne Rosinen? Ja, das könnte mir schmecken. Das Auge isst ja bekanntlich mit.

Erstaunlich ist es schon. Bei jedem Essen im Freundeskreis, in der Familie oder im Berufsalltag merke ich, dass es kaum ein anderes Lebensmittel gibt, das die Menschen so sehr spaltet. Rosinen. Die einen lieben sie, die anderen hassen sie. Die einen freuen sich auf einen Strudel mit Rosinen, den anderen schlĂ€gt sich der bloße Gedanke schon auf den Magen. Liebe und Abneigung. Freude und Ablehnung. Gusto und Ekel. Das sind AusprĂ€gungen, wenn Menschen an Rosinen denken. Mal abgesehen von feineren Abstufungen, dass sie zwar kalt und klebrig gemocht, aber weich, warm und aufgedunsen abgelehnt werden.

Die herkömmlichen, braunen Rosinen haben bei mir keine Chance mehr. Aber ich könnte es zumindest mal mit einer grĂŒnen Rosine versuchen. Und du? Wie hĂ€ltst du es mit den Rosinen?

© Barbara Neubauer 2021-07-02

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