von Darleene Deiler
Anfangs habe ich mir viele Gedanken und Sorgen darüber gemacht, über die Pro und Kontras von Brieffreundschaften mit Inhaftierten. Sind sie gefährlich? Stehen sie nach der Entlassung einfach vor meiner Haustür? Würden sie mir etwas antun? Werde ich mit ihrer Tat klarkommen? Werde ich ausgenutzt? Bekomme ich dadurch vielleicht irgendwann Konsequenzen? Im Laufe der Zeit dachte ich jedoch, wieso mache ich mir solche Gedanken? Lass es doch einfach auf dich zukommen. Und so begann ich damals über die alte deutsche Seite Jailmail einem deutschen Inhaftierten zu schreiben. Damals saß er in Schwerte in der JVA. Alle paar Tage landete ein neuer Brief in meinem Briefkasten von ihm. Es machte Spaß und er war ganz anders, wie ich es mir vorgestellt habe. Wir haben uns direkt verstanden, Gemeinsamkeiten gefunden und waren uns einig nach seiner Entlassung im August 2021 weiter Kontakt zu halten. Ich hab ihm meine Handynummer in einem Brief kurz vor seiner Entlassung und siehe da er meldete sich. Seit dem haben wir zwar keinen Regen Kontakt mehr, aber zwischendurch schreiben wir uns doch immer mal wieder. Er versprach mir nie wieder hinter Gittern zu landen und seit dem hat er einen Job gefunden und ist nicht wieder zurück in der JVA. Darum bin ich sehr dankbar, dass er zu seinem Wort steht. Durch die ganze Jailmail Sache bin ich nach der Löschung der Seite durch die alte Betreiberin (wegen eines TikTok Trends #mamaiminlovewithacriminal) auf tolle Menschen gestoßen, die auch Brieffreundschaften zu Inhaftierten in Deutschland aber auch den USA vermittelten. Ich habe kein Problem damit Englisch zu schreiben oder zu sprechen, jedoch war die USA doch eine andere Hausnummer. Nach vielen informativen Gesprächen mit einer der Gründerinnen der Gruppe „Brieffreundschaften zu Inhaftierten“ entschied ich mich dazu einem Häftling aka Inmate in einem Gefängnis in Michigan zu schreiben. Ich lud mir die App JPay herunter, gab den Staat Michigan und dann seine Inmate ID Number ein und schon war er hinzugefügt. Erste Hürde geschafft. Nun musste ich noch Stamps eine Art virtuelle Briefmarke kaufen, die jede Nachricht kostet. Da man dazu eine Kreditkarte brauchte und ich damals noch keine eigene hatte, halfen mir Seiten mit virtuellen Kreditkarten weiter. Bevor ich ihm eine erste Nachricht schreiben und senden konnte, hatte ich schon eine erste Nachricht von ihm. Er stellte sich vor, was seine Interessen sind, wie viele Geschwister er hat, OMG a looooot. Wieso er dort drin saß, da er von Anfang an ehrlich sein wollte, um mein Vertrauen zu bekommen. Und was er gerne von mir wissen wollte. Woher ich kam, welche Interessen habe ich, welche Musik höre ich. Standard Fragen würde ich sagen. Nach 2-3 Nachrichten waren wir total auf einer Wellenlänge und alle Sorgen und Ängste, die ich hatte, waren wie weggeblasen. Er konnte am Tag jedoch nur bis zu 10-mal an eine Art Dockingstation, an der er Internetzugang hatte für je 15 Minuten. Ja sehr wenig Zeit um längere Texte zu schreiben und abzusenden. Er erzählte mir viel vom Gefängnisalltag, wie das Essen schmeckt (Jede Woche gibt es an jedem Tag dasselbe), was er dort arbeitete, und wie er seine „Freizeit“ dort drinnen verbrachte. Eigentlich tagtäglich dasselbe Prozedere, jedoch die Nachrichten, die wir austauschten, waren sein Highlight des Tages und zugegebenermaßen auch das Highlight meines Tages.
© Darleene Deiler 2024-04-21