Jeder von uns trifft täglich tausende Entscheidungen. Direkt morgens geht es los bei der Entscheidung, was es zum Frühstück gibt oder ob man überhaupt aufstehen möchte. In der Pflege treffen wir viele Entscheidungen nach bestem Gewissen für andere. Um diese Entscheidungen zu untermauern, erfolgt eine Anamnese, Pflegeziele werden festgelegt, Probleme und Ressourcen werden gesammelt, um letztendlich auf der Basis aller Informationen, die man hat und allem Wissen, welches man mitbringt eine Pflegeplanung zu schreiben. Kleinschrittig wird hier jede Maßnahme, wie wir es nennen, also jede Handlung am Klienten festgehalten. Am Anfang meiner Ausbildung war dieser Prozess ein Buch mit sieben Siegeln. Eine Pflegeplanung schreibt sich nun mal nicht von heut auf morgen. In der Langzeitpflege erfolgt dies über einen Zeitraum von vier Wochen, wo die Maßnahmen formuliert und angepasst werden. In regelmäßigen Abständen wird schließlich evaluiert und ggf. wird die Pflegeplanung an neue Umstände angepasst. In den ersten Wochen und Monaten arbeitete ich nach Anleitung. Also man sagte mir, was ich zu machen hatte und ich erledigte dies. Je weiter meine Ausbildung fortschritt, desto häufiger kam es zu Situationen, in denen ich kleiner Pflegeazubi los stiefelte, um mir zu meiner potenziellen Entscheidung, die ich treffen wollte, das Feedback meiner zuständigen Pflegefachkraft einzuholen. Anschließend fällte ich genau die Entscheidung, die ich treffen wollte oder das Gespräch zeigte mir auf, wo ich an meinen Fähigkeiten diesbezüglich weiterarbeiten müsste. Wir wachsen an unseren Aufgaben innerhalb der Pflegeausbildung und ich entwickelte mich als angehende Pflegefachkraft vor allem in meinem Praktikum bei der Ambulanz weiter. Wie immer war auch hier Not am Mann. Direkt vom ersten Tag an. So kam es, dass die dortige Pflegedienstleitung auf mich zukam und mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte eine Tour alleine zu übernehmen. Im ersten Moment hatte ich nur ein „Nicht ihr ernst“ im Kopf. Doch ich sagte zu. Man ging mit mir diese eine Tour durch, die ich die voran gegangenen Tage bereits mitgefahren war. Es wurde sich von meinen Kompetenzen überzeugt und Dinge angesprochen, die ich noch verbessern konnte. Im Rahmen des Praktikums fuhr ich diese Tour sehr häufig und sehr gerne. Ich lernte die Menschen anders kennen, da ich viele Tage zu ihnen kam. Ich lernte mich als Pflegekraft anders kennen, denn ich traf eigenständig Entscheidungen. Das erste Mal innerhalb meiner Ausbildung musste ich ernsthaft auf mein Wissen zurückgreifen und es Anwenden ohne, dass ich jemand sofort greifbar im Backup hatte. Natürlich konnte ich jederzeit anrufen und bei Problemen nachfragen und hätte auch sofort per Ferndiagnose eine Anleitung erhalten, aber für den Moment bekam ich sehr viel Verantwortung übertragen. Ich bin dankbar für diese Erfahrung und das Vertrauen, denn ohne diese Chance wäre ich an einem ganz anderen Punkt innerhalb meiner Ausbildung. Ich konnte für einen kurzen Zeitraum erleben, wie sich diese Verantwortung anfühlt für andere zu entscheiden. Ich lernte die Grenzen meiner Kompetenzen kennen und durfte sie weiter verschieben. Zu keiner Zeit meiner Ausbildung habe ich mich so stark weiter entwickelt, wie in diesen Wochen und Monaten. Danke dafür.
© Frederike Fischer 2023-08-30