von Doris Neidl
Kleines ZwischenstĂĽck:
Ich sitze in der Schnellbahn. Sie ist ziemlich voll. Gegenüber mir sitzen breitbeinig zwei Männer mit Netzleiberl, Tattoos, überall Piercings, Ketten und jeder eine Bierdose in der Hand. Ich denke mir: „Was sind denn das für Typen?“ Schräg gegenüber, auf der anderen Seite, sitzen zwei junge Männer im Anzug (Slim fit), Smartphone und Tablet und eine schick gekleidete Frau.
Ein indisch aussehender Mann mit einer Pizza kommt herein. Der Mann im Anzug verzieht das Gesicht, von hinten (ich sehe nicht, wer das sagt) höre ich laut: „Die scheiß Ausländer verstinken unsere Züge.“ Die Smartphone Leute nicken und sagen : “Ja wirklich. Eine Frechheit, zu viele Ausländer.” Ich bin sprachlos, starre sie an, sage aber nichts.
Ich merke, wie die zwei Netzleiberlmänner gegenĂĽber mir wĂĽtend werden. Einer von ihnen steht auf, er ist riesig, Bier in der Hand. Ich denke: “Oh Gott, was passiert jetzt”. Er geht zum Smartphonetyp und sagt: “Wos host gsagt?” Totenstille, der Smartphonetyp zuckt zusammen. Der Mann im Netzleiberl: “ Halt dei Goschn oder I hau da ane eini. Der klane Inder kann fressen was a wue. Der hot ĂĽberhaupt nix getan. Losst’s ihn in Ruha.”
Er setzt sich wieder hin. Keiner sagt mehr etwas. Ich lächle ihm zu. Er nickt. Wir sind uns einig. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich zuvor einen Moment gedacht habe, er würde etwas anderes tun.
© Doris Neidl 2021-06-25