Es ist spät geworden, fast Mitternacht, bis ich endlich ins Bett falle. Belle ist bereits im Bett und liest. „Hast du ein passendes Buch für Luna gefunden?“, fragt sie. „Ja, ein ziemlich cooles sogar über das Universum“, erwidere ich. „Okay super, ich packe das morgen früh noch schön ein. Ich kann kaum glauben, dass Luna schon acht wird. Krass, wie die Zeit vergeht.“ „Ja, die Zeit rennt“, antworte ich. „Früher habe ich mich echt noch auf meine Geburtstage gefreut, heute find’ ich es cool, dass ein Jahr so lange dauert.“ „Lange dauert? Ein Jahr ist doch nichts. Weißt du, wie alt unsere Erde ist?“, frage ich. „Nein“, sagt sie. „18“, antworte ich. Belle wirkt überrascht: „18? Wie soll das denn gehen?“ „18 galaktische Jahre. Ein galaktisches Jahr entspricht ungefähr 230 Millionen Jahren“, erkläre ich. „Ach weißt du, das könnte ja interessant sein, aber mit solchen Zahlen kann man doch gar nichts anfangen. Das ist viel zu abstrakt, langweilig und nerdig.“
Ich nicke, aber gebe nicht auf. „Na gut, dann so: Unser gesamtes Sonnensystem dreht sich um das Zentrum unserer Galaxie, also die Milchstraße, okay?“ „Immer noch langweilig.“ „Ja, warte. Und unser Sonnensystem braucht ein galaktisches Jahr, um das Zentrum einmal zu umkreisen.“ „Red nur weiter, gleich schlaf’ ich ein.“ „Das heißt: Als die Erde das letzte Mal ungefähr an dem Punkt der Milchstraße war, an dem sie momentan ist, haben sich gerade erst so langsam die ersten Dinosaurier entwickelt.“ „Oh echt? Das ist ja verrückt!“, schießt es aus ihr heraus. „Ja, oder? Im Vergleich zu unserer Erde haben du und ich also die Lebenserwartung einer Halbtagsfliege.“ „Na du bist mir ein Witzbold“, sagt sie. „Ich weiß, gute Nacht.“ „Gute Nacht.“
Ich sehe noch, wie sie lächelt und leicht den Kopf schüttelt, bevor sie das Licht aus macht. So schlecht war mein Witz wohl nicht.
Um 6.30 Uhr klingelt der Wecker. Das ist ärgerlich, da Samstag ist und ich vergessen habe, den Alarm auszustellen. Belle ist zum Glück nicht aufgewacht, ich hingegen bin hellwach.
Vielleicht kann ich die Zeit nutzen und die Geburtstagskarte für Luna schreiben. Ich setze mich in die Küche und fange an: „Liebe Luna, fünf Jahre wirst du heute! Und wir dürfen dabei sein, danke für deine Einladung! Hast du gewusst, dass Luna übersetzt Mond heißt? Cool, oder? Ich finde, der Name passt perfekt zu dir. Ohne den Mond würde ein Tag nur 6 bis 12 Stunden dauern und ein Jahr hätte rund 1.000 Tage. Dann hätten wir viel seltener Geburtstag! Außerdem könnte es ohne den Mond keine Jahreszeiten geben: keinen kalten Winter, keinen heißen Sommer und keinen bunten Herbst. Was wäre das langweilig! Und so wäre unser Leben auch ohne dich: langweilig, zäh und ohne Freude. Darum freuen wir uns riesig, dass es dich gibt und auf all die Jahre, die wir mit dir Lachen und Quatsch machen dürfen.“
© Sebastian Lühmann 2023-09-09