Alles hat seinen Preis

Andrea Panholzer

von Andrea Panholzer

Story
2022 – 2023

Panik machte sich in mir breit. Ich konnte auf keinen Fall zurück in die einsame Dunkelheit.
„Wieso? Bin ich nicht hübsch genug? Ich…ich hab Erfahrung! Bitte! Ich verlange auch gar nichts. Bitte, bitte, schick mich nicht weg“, ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
Mit ernster Miene musterte er mich, während ich weinend vor ihm auf den Boden sank.
Dann ging er vor mir in die Hocke: „Weißt du überhaupt, was du da sagst?“
Er griff unter mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen: „Wenn du für mich arbeitest, gehörst du mir. Du müsstest Dinge tun, die du dir nicht einmal vorstellen kannst und das ohne jegliche Diskussion. Männer würden dich berühren und du müsstest so tun können, als würdest du es genießen. Du könntest nicht einfach gehen, wenn es dir nicht mehr gefällt. Mädchen, dieses Leben willst du nicht! Geh zurück zu deiner Familie.“
Wut flammte in mir auf: „Ich weiß, wie es ist, von einem Mann berührt zu werden. ER hat mir auch verboten, zu weinen. Außerdem habe ich keine Familie, zu der ich zurückkehren könnte. Wenn du mich wegschickst, wartet auf mich nichts!“
„Also wählst du ein Leben ohne Freiheit? Ein Leben, welches nicht mehr dir gehört. Verstehst du, was das bedeutet? Ich würde deinen Wert bestimmen und du müsstest alles tun, was ich von dir fordere.“ Mit gerunzelter Stirn musterte er mich: „Ist dir deine Freiheit denn nichts wert?“
„Nein.“
Dieser Gassenmann war meine einzige Chance, am Leben zu bleiben. Was bedeutete es, frei zu sein, wenn man dabei vor Einsamkeit verging? Natürlich war mir klar, dass dieses Leben zu WÄHLEN, von vielen als schwach und erbärmlich gesehen werden würde. Mein Bruder sagte mir immer, dass man sich nur genug anstrengen müsste, dann würde man auch alles erreichen, was man sich vornahm. Nun, ich hatte mich angestrengt. Ich hatte in der ersten Zeit, als ich von Zuhause fortgelaufen war, mit allen Mitteln versucht, eine Arbeit zu finden, um mir ein neues Leben aufbauen zu können, in welchem ich neuen Menschen wichtig wäre. Doch niemand wollte mir eine Chance geben. Also war ich zwar frei, hatte aber nichts, wofür es sich zu leben lohnte. Niemanden, dem ich wichtig war….und ich hatte keine Lust mehr, der Geist zu sein, zu dem ich geworden war. Meine Freiheit hatte ihren Wert für mich verloren.
„Du bist also wirklich gewillt, mir dein Leben zu verkaufen?“, fragte der Gassenmann noch einmal mit ruhiger Stimme nach.
„Ja.“
Sein prüfender Blick blieb minutenlang auf mir liegen. Entgegen meiner antrainierten Verhaltensmuster hielt ich seinem Blick stand.
„In Ordnung. Wenn du tatsächlich für mich arbeiten möchtest, kannst du jetzt in diesen Bus steigen. Doch eines sollte dir klar sein. Sobald du einen Fuß hineinsetzt, gibst du deine Freiheit vollständig auf und erklärst dich zu meinem Besitz. All deine Rechte gehen damit verloren, bis auf die Rechte, die ich dir zugestehe. Deine Aufgabe ist es, meinen Forderungen bedingungslos nachzukommen und weder Zögerung noch Widerworte werden geduldet. Du hältst dich an die Regeln, ansonsten wirst du es bereuen. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

© Andrea Panholzer 2023-08-30

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Emotional, Hoffnungsvoll, Traurig, Angespannt
Hashtags