Alles kein Problem

Leara Thalen

von Leara Thalen

Story

Es hat sich abgezeichnet. Der Lieblings-Wasserhahn beim Bad-Waschbecken spinnt schon lange. Aber der ist halt so schön… Man muss den Hebel nach links oder rechts verdrehen, dann klappt es (vielleicht). Die Hausfrau kennt ihn gut. Bis zum Montag, den 17. Februar. Genervt von der Schwergängigkeit reiße ich den Hebel in die Höhe, denn die Erfahrung der letzten Wochen hat gezeigt: Dann mit voller Kraft runter, und er ist zu.

Diesmal knackst es. Zuerst denke ich noch, ich hätte etwas ausgehebelt, aber das ist nicht das Problem. Es hilft alles nichts, er lässt sich nicht mehr schließen. Das Wasser rinnt und rinnt. Die Eckventile drehen sich seit Jahren durch, lassen sich nicht regulieren, schon gar nicht abdrehen. Wäre kein Problem, in den Keller laufen, Hauszulauf abdrehen, Wasserhahn tauschen. Liegt ja schon bereit, ich sorge immer vor. Das Verflixte daran ist, der 35 Jahre alte Wasserhahn ist noch mit starrer Verrohrung angeschlossen, was bedeutet, dass man die Zulaufrohre nicht aus den Eckventilen kriegt, wenn man das Waschbecken nicht abmontiert. Eckventile tauschen? Das gleiche Problem. Halten und schrauben gleichzeitig kann ich nicht, ein Mann muss her. Mangels Anwesenheit des regelmäßigen Mitbewohners wird der Schwiegersohn einspringen. Töchterchen schildert mir seinen Terminkalender. Ich bin ganz entspannt. Es hat schon Zeit, ein paar Tage. Der Schwiegersohn ist beileibe nicht faul, er plant für den nächsten Tag ein paar Stunden ein. Ich lehne ab. Am Donnerstag ist nämlich mehr Zeit, das reicht. Für Überlebenskünstler wie mich.

Und jetzt beginnt ein Urlaub, oder besser: Das Überlebenstraining. 1x / Tag Wasser im Keller aufdrehen, vorher im Bad Kübel unterstellen, rasch Abwasch mit Heißwasser volllaufen lassen, WC-Spülkasten auffüllen, ein paar Reindln, den Wasserkocher und was sonst noch zur Verfügung steht, mit frischem Wasser befüllen. So haben sie früher ja auch gelebt, als das Wasser noch vom Brunnen geholt werden musste, in Zeiten, in denen auch sonst alles viel beschwerlicher gewesen ist. Das wollte mir der Schwiegersohn nicht zumuten. Aber ja, das kann ich.

Warum es wie Urlaub ist? Man darf fast nichts angreifen, und wenn, dann stets mit Handschuhen. Die Waschmaschine steht still, gekocht wird sehr, sehr einfach. Schmutziges Geschirr? Möglichst vermeiden. Katzen streicheln? Mit Handschuh. Hausputz? Verschieben. Wer sich jetzt fragt, wie man mit einer Spülkastenfüllung pro Tag durchkommt, dem sei gesagt: Gar nicht.

Also, ich mach´ das genauso wie die Leute vor 50 Jahren: Es gibt noch die guten, alten Waschlappen und heißes Wasser in Töpfen auf dem großen Küchenherd. Und ein Luxus-WC mit Ausblick auf die freie Natur im hintersten Winkel des Hofes, immer wieder gereinigt und frisch gestrichen, das im Hinblick auf die menschlichen Bedürfnisse von Handwerkern bestehen bleiben durfte.

Und weil gerade die Leitungen ohne Druck sind, auch das Werkzeug bereitliegt, habe ich bei der Gelegenheit gleich den Küchenwasserhahn getauscht, der es auch schon nötig hatte. Und – um der Langeweile an den Abenden zu entkommen, ein paar neue Geschichten auf Story.one veröffentlicht.

© Leara Thalen 2025-02-19

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Komisch