von Pretulia
Als begeisterte Leserin wollte ich natürlich auch meinen beiden Söhnen vermitteln, wie wunderschön das Abtauchen in andere Welten ist. Von klein auf las ich Ihnen vor, sahen wir Bilderbücher an, kein Bettgehen ohne Gute Nacht Geschichte. Von je her nahm ich beide in die Bibliothek der Stadt Wien mit. Sie waren begeistert und ich voller Hoffnung, den Grundstein der Begeisterung für Geschichten gelegt zu haben.
Das änderte sich, als sie in die Schule kamen und nunmehr selber lesen sollten. Ich befolgte den pädagogischen Rat, neugierig machen. Also las ich vor und bei einer spannenden Stelle hörte ich auf. Rissen sie nun vielleicht das Buch an sich, selbst weiterlesend um das Rätsel zu lösen. Weitgefehlt! Na dann nicht! war der Kommentar und sie trollten sich in ihr Zimmer, um dort stundenlang die tollsten Legokonstruktionen anzufertigen.
Als der Kleinere so etwa neun Jahre alt war, entdeckte ich Franz Sales Sklenitzka. Einen bekannten österreichischen Kinderbuchautor. Ich besorgte ein Buch und mein Sohn las jeden Tag ein paar Seiten und zeigte sich sehr angetan. Meine Hoffnung doch noch die Freude am Lesen in ihm geweckt zu haben begann in mir zu keimen.
Er war wieder einmal in seinem Zimmer zum Lesen. Die anderen Familienmitglieder befanden sich im Wohnzimmer als plötzlich die Tür einen Spalt weit geöffnet wurde, er den Kopf hereinsteckte und mit tränenerstickter Stimme murmelte: jetzt ist der Percy auch gestorben! Kopf zurück, weg war er wieder. Mein erster Gedanke: ist der Slenitzka noch ganz dicht? Wie kann der ein Kind sterben lassen. Dann aber kamen mir gleich Zweifel und ich stürmte zu meinem Sohn ins Zimmer. Erzähl einmal, wie ist er denn gestorben? Ja er ist einen Berg hinaufgegangen und da war eine Schlucht und da ist er hinuntergefallen. Mir war gleich klar, dass dieser Percy, Held des Buches, nicht tot war. Hat man ihn gefunden? Nein, aber er ist tot. Steht das im Buch? Nein, aber ich weiß das. Er ist tot!!! Wahrscheinlich haben wir dann die Geschichte gemeinsam fertiggelesen, ich kann mich aber nur mehr an seine Verzweiflung erinnern und sein Entsetzen.
Mein Großer laß mit 12 das Profil und mit 14 eine dicke Schwarte über Computersprachen und überhaupt alles über Computer, Software und Hardware. Total darin vertieft, wie ich in einen spannenden Roman. Computer steckte noch in den Kinderschuhen, aber es war genau sein Metier.
Jetzt haben sie die 30 überschritten und ich muss leider zur Kenntnis nehmen, Lesen zur Unterhaltung, zur Entspannung, zum Glücklichsein habe ich ihnen nicht schmackhaft machen können.
Meine Eltern wollten mich nie zum Lesen bringen. Die haben selbst nichts gelesen. Das war von jeher mein persönlicher Wunsch. Heute denke ich, so wie die einen gerne radfahren, schwimmen oder reiten, so lesen andere halt gerne. Es soll sogar Exemplare geben, die mehr als nur eine Sache machen.
Alles nur kein Buch, stammt von meinem Neffen, auf die Frage was er zum Geburtstag will.
Foto: Hermann Stamm, unsplash
© Pretulia 2021-04-26