Alles relativ #1

Jasmin Treyße

von Jasmin Treyße

Story

– Poetry-Slam-Text: erster Teil –


Das Universum ist unendlich groß und weil das noch nicht zu reichen scheint, dehnt es sich trotzdem weiter aus. Und als er meint, sowas funktioniere doch nicht, wird mir einiges klar. Denn der, der schon einmal geliebt hat, der weiß, es ist wahr.

Ich bin kein Ass in Physik, und das mit der RelativitĂ€tstheorie hab ich nie so ganz kapiert. Aber ich habe mir viele Gedanken gemacht, unter anderem darĂŒber, wie man so einen Menschen verliert. Du bewegst dich mit Lichtgeschwindigkeit durch deinen Alltag und lĂ€sst es hinter dir, alles, inklusive mir. Du denkst, die Zeit ist stehen geblieben, doch hier bei mir da lĂ€uft sie weiter. Ich frag‘ mich, wo sie dann mal Halt macht, wohin sie geht und warum sie es so eilig hat. Ich frag‘ mich, was hat sie in der Zwischenzeit mit dir gemacht? Meine Mama schwört, dass es noch gestern war, als ich Zahnspange und zwei Zöpfe trug, als wir im Pausenhof zusammen lachten und du immer wusstest, wann ich log, wenn ich sagte, es geht mir gut und du brauchst dich nicht zu sorgen. Und solange ich dich kannte, fand ich schnell neuen Mut, denn ich wusste, bei dir, da kann ich mir welchen borgen. Du warst mir so nah, jetzt bist du 2 Jahre entfernt und 140 Meilen von hier da lĂ€uft die Vergangenheit einfach weiter, so als wĂ€re nichts geschehen. Nur dass ich deine Gedanken wortlos lesen kann, das hab‘ ich irgendwie verlernt, aber wir haben uns ja schon wirklich lange nicht mehr gesehen. Und das ist mir persönlich Beweis genug dafĂŒr, dass es keine Zeitreisen geben kann, denn sonst hĂ€tte ich einen Weg gefunden diesem Schicksal zu entgehen. Ich frag‘ mich, was Einstein wohl dazu zu sagen hĂ€tte, wĂŒrde er es verstehen?

Ich bin kein Ass in Chemie, und das mit den Summenformeln hab ich nie so ganz kapiert. Doch ich weiß, was wir sind. Wir sind Synergien, sind mehr als die Summe unserer Teilchen, unserer Erinnerungen und der Sekunden die verstreichen. Wir sind nicht mehr die, die wir waren. Nein, das stimmt so nicht. Wir sind die, die wir waren, aber mehr noch sind wir’s nicht. Wir erkennen uns nicht wieder, machten neue Erfahrungen, nur keine geteilten, haben neue Narben, zusĂ€tzlich zu den Alten. Und eine von mir, die ist noch immer wund und juckt von Zeit zu Zeit, die ist von dir und irgendwie will ich auch nicht, dass sie heilt. Ich nehme an, du hast auch so eine von mir, immerhin haben wir wenigstens auch das geteilt. Ich weiß nicht mehr, wie gesund das alles noch ist, aber selbst wenn ich könnte, hĂ€tte ich die Erinnerung an dich nicht aus meinem Kopf verbannt. Auch wenn deine Stimme in meinen Ohren langsam verstummt, deine radioaktive Aura hat sich lĂ€ngst in meine Netzhaut gebrannt, dein Abbild besucht mich noch immer in meinen TrĂ€umen, aber nie mehr zu Tageslicht und ich such‘ weiter nach dem Grund, warum wir all‘ diese Zeit versĂ€umen, aber Herrgott nochmal ich find‘ ihn einfach nicht. Ich frag‘ mich, was Curie wohl dazu zu sagen hĂ€tte, verstĂŒnde sie mich?


© Jasmin Treyße 2025-01-28

Genres
Romane & ErzÀhlungen