Der Tag empfängt mich mit einem Achselzucken. Der graue, bleischwere Himmel entspricht dem gefühlten Gewicht meiner Knochen, die Starre in meinen Gelenken gleicht den lähmenden Gedanken.
Trotzig richte ich mich auf und absolviere stoisch meine tägliche Morgengymnastik. An diesem Ritual halte ich mich schon Jahrzehnte lang fest. Ich habe es im Laufe der Zeit ausgebaut. Es schließt immer mehr Körperregionen ein. Alle sind vom Verfall und Verschleiß bedroht und müssen täglich an ihre ursprüngliche Aufgabe erinnert werden.
Ich bin eine Heldin sage ich mir laut zur Ermutigung vor.
Der Welt ist es herzlich egal, ob ich aufstehe, meine Übungen mache oder liegenbleibe.
Aber gibt es eine Alternative?
Trübe Tage lassen sich mit erworbener Routine leichter ertragen.
Ich muss wieder einmal an Brigitte Reimanns Buch „Alles schmeckt nach Abschied“ denken. Das kommt mir immer öfter in den Sinn. Auch sie war eine Kämpferin und hat schwer gesundheitlich angeschlagen ihre tägliche Schreibroutine absolviert.
Routine hat zu Unrecht einen schlechten Ruf, manchmal ist sie eine Lebensretterin. Man kann sich an ihr festhalten, wie am Handlauf einer Treppe. Tanzen kann man nicht, aber einen Schritt nach dem anderen setzen, das geht ganz gut.
Die Sonne geht auf,
der Mond geht unter,
Ich liege seit Stunden
im Bett und bin munter.
Von Schlaf keine Rede mehr,
die Gedanken wandern hin und her,
im Kreis oder auch in Schlangen.
Wann hat das alles angefangen?
Corona, Krise, Krieg und Klimawandel,
soziale Kälte, Menschenhandel,
Dürre, Feuer, Flut,
kein Öl, kein Gas – nicht gut….
Es wird nicht mehr nachgedacht,
alles ist Automatismus, Tradition
guter Ton, oder
noch schlimmer Algorithmus!
Alles schon mal gedacht, getan, gesagt,
belächelt,
betrauert, gegessen, gerochen, gefühlt.
Ich sehne mich nach Leichtigkeit,
schrillen Farben und verheißungsvoller
Zukunft!
© Christine Hagelkrüys 2022-11-08