Alltagstrott

Alisha Steckert

von Alisha Steckert

Story

Der Alltag kann ziemlich stressig werden, vor allem wenn die Lehrer wieder beschließen alle Arbeiten in der Woche vor den Ferien zu schreiben. Es wäre auch viel zu einfach es auf das Schuljahr zu verteilen, aber sie bummeln lieber und wir Schüler müssen dann alles auf einmal können. Am besten auch von heute auf morgen. In der Schule fragt auch niemand wie es dir geht. Wenn du offensichtlich krank bist und dich übergeben musst oder zusammenbrichst, dann darfst du nach Hause gehen. Aber wenn du ’schlimme‘ Gedanken hast, scheinbar grundlos weinst und nur aus dem Fenster starrst, dann bist du nicht krank genug. Auch die Ärzte nehmen einen nicht wirklich ernst. Mit ein bisschen Sport und einer Ernährungsumstellung werde das schon alles besser werden. Und dann kommt man in die Schule und bekommt mit, wie Leute einfach so von ihrem Hausarzt Antidepressiva verschrieben bekommen haben.

Die Welt ist so ungerecht, deswegen müssen wir uns selbst helfen. Auch diesmal sagt keiner, wie es besser werden kann. Selbst wenn man endlich eine Überweisung für einen Psychologen bekommen hat, ist einem noch lange nicht geholfen. Eine weitere schier unüberwindbare Hürde: einen Platz in einer solchen Praxis zu bekommen.

Ich persönlich hatte das Glück und war bei einem Kinder- und Jugendpsychologen und seiner Frau untergekommen. Einmal in der Woche oder alle zwei Wochen, je nachdem wie ausgebucht meine Therapeutin war, durfte ich in die Praxis fahren und bekam ca. 45 Minuten Gesprächszeit. Damals war ich 16 Jahre alt und hatte neben den typischen Teenagerproblemen mit Jungs, Körperveränderungen, Stress mit den Eltern und schlechte Noten auch ein Problem mit einigen Leuten aus meiner Klasse. Ich weigerte mich, es Mobbing zu nennen, doch meine Therapeutin erklärte mir, dass es keinen anderen Begriff dafür gäbe.

Aus Gruppenprojekten ausgeschlossen zu werden oder bei der Blättervergabe im Unterricht nicht einbezogen zu werden, kann sehr hart sein. Auch wenn man von einer Party erfährt, auf der man angeblich nicht war, weil man keine Lust gehabt hätte. Sicher, ich wäre nicht hingegangen, aber ich wusste auch nichts davon, mich hatte nie jemand gefragt. Es wurde einfach von vorne rein behauptet, dass ich abgesagt hätte. Die Therapie empfand ich meistens als recht sinnlos. Ich wollte nicht über verschiedene Gefühle reden und wie sie entstehen können. Ich wollte lieber über MEINE Gefühle reden und wie ich mit ihnen umgehen kann. Um nicht ganz so passiv zu denken, redete ich mir ein, dass ich wenigstens die neutrale Sicht meiner Therapeutin nutzen könnte. Meine Geschichten und Erlebnisse wurden von ihr natürlich anders betrachtet, als von Freunden, die involviert waren. Oft hatte sie gute Deckansätze oder Ideen zur Lösung eines Problems, mehr aber auch nicht. Wirklich wohlgefühlt habe ich mich auch nicht, immerhin war sie mir fremd und plötzlich sollte ich ihr jedes Detail anvertrauen. Jede dunkle Ecke in meinem Kopf beleuchten. Das war/ist zu viel.

© Alisha Steckert 2022-11-07

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