von Klaus Schedler
Die Störung war angesagt und nun also war sie da: Der Wind, der schon im Laufe des Nachmittags kontinuierlich stärker geworden war, war als jetzt leises Dröhnen und Pfeifen an den Hausecken zu hören. Ich ging vor die Tür und sah im Lampenlicht, wie sich vis a vis auch die stärkeren Äste der großen Eschen am Bach bedrohlich im Wind bogen und der Sturm erste Schneeflankerln mit sich führte. Ich ging zurück und legte im Küchenofen noch zwei Scheite nach.
Dieser kleine Holzofen verbreitete eine angenehme Wärme, doch musste man eben regelmäßig Holz nachlegen, vor allem jetzt, da ich die Luftzufuhr weiter geöffnet hatte. Dieses Nachlegen war mir aber schon in Fleisch und Blut übergegangen und ich liebte es, wenn das neue nachgelegte Holz nach kurzer Zeit im Ofen zu knacken begann. Überhaupt waren diese mit Holz geheizten Einzelöfen prima, denn im Gegensatz zu der gleichsam synthetischen Wärme der Heizkörper einer Zentralheizung, strahlten sie eine geradezu lebendige Wärme aus.
Ich liebe dieses uralte Haus im Waldviertel. Es ist aus Natursteinen in einen Hang gebaut worden, der das Tal jenes Baches begrenzt, der das gesamte Dorf durchzieht. Entlang des Baches hatten sich vor etwa 800 Jahren die ersten 20 Siedler niedergelassen. Die Mauern sind 1 Meter dick und die Fenster ziemlich klein. Es steht auf einem erdbedeckten riesigen Granitsockel und nur für den vorderen Teil war ein Keller in den Felsen gehauen worden. Es ist kein Bauernhaus, sondern hatte ursprünglich sogenannten Kleinhäuslern gehört, Gewerbetreibenden, wie sie sich in der Regel erst später zwischen den Bauern niedergelassen haben. Noch im frühen 20ste Jahrhundert befand sich in unserem Haus eine Sattlerei. Die Art, wie sich das Haus geradezu in den Hang drückt, entspricht dem Wesen aller Häuser im Dorf, die sich in das Tal des Baches ducken, damit der Nordwest-Wind darüber streichen kann, ohne größeren Schaden anzurichten.
Das genaue Alter unseres Hauses ist unsicher. Der Vorbesitzer meinte, es sei 1778 erbaut. Ich halte dies für möglich, denn als 1770 Maria Theresia anordnete, allen bewohnten Häusern Hausnummern zu geben, wurden hier im Dorf die Häuser auf der rechten Seite der Dorfstraße von 1 bis 16 und in der Gegenrichtung von 17 bis 20 durchnummeriert. Später erbauten Häusern wurden fortlaufend Hausnummern bis derzeit 100 zugewiesen. Pro Jahr waren dies im Schnitt 3,125 Häuser und da wir die Nummer 24 haben, ergibt sich als rechnerischer Baujahr 1782. Das wäre bereits zur Regierungszeit von Joseph II gewesen.
Natürlich haben wir das alte Haus längst behutsam so hergerichtet, dass es den Ansprüchen eines zeitgemäßen Wohnens entspricht. Eine Therme mit Zentralheizung war auch dabei. Wenn es nun stürmt und schneit und ich mich nostalgisch nach einem Holzofen sehne, dann gehe ich im Garten in das sogenannte Bienenhaus, wo ich mir ein Studio eingerichtet habe. Dort steht er noch: Der letzte Kanonenofen aus unserem Haus. Natürlich betriebsbereit. Jederzeit!
© Klaus Schedler 2020-07-07