Als der Schnee nicht taute. – 2

Franzi Brunner

von Franzi Brunner

Story

Auch der Schnee war anders als er sonst im Winter war. Er hatte diese GrĂ€sslichkeit, die diesen Winter zu beschreiben schien und sich ĂŒber die ganze Erde bedeckt hatte. Ein jeder Baum, jede Straße und jedes GĂ€rtchen war mit tiefem Schnee gefĂŒllt. Die ganze Freude, die der Sommer mit sich gebracht hatte, war nun endgĂŒltig Vergangenheit und der tiefe, beĂ€ngstigende Winter herrschte ĂŒber die Welt und es schien, als wĂŒrde er fĂŒr immer bleiben. Es vergingen Tage, Wochen und sogar Monate. Doch der Schnee taute nicht. Die Wolken verzogen sich nicht wieder und die Blumen und Wiesen waren nun bis auf jeden noch so kleinen Rest vergangen. Plötzlich machte die Welt den Anschein, als hĂ€tte es den Sommer nie gegeben. Alles war dunkel und es war so eiskalt, dass man sich nicht hinausgehen traute. Man spĂŒrte diese Unendlichkeit, die nun herrschte, die Unzufriedenheit und Traurigkeit, die in der AtmosphĂ€re schwebten. Keine bisschen Freude oder Hoffnung war mehr ĂŒbergeblieben, alles schien ungeheuer dunkel und trĂŒb zu sein. Es war so leise, dass man seine Gedanken schreien hörte, weil sie lauter waren als dieser Winter es je sein könnte. Man war mĂŒde und erledigt von dieser Wucht und dieser KĂ€lte. Es blieb keine Energie mehr, um zu leben, weil dieser stĂ€ndige Winter, der nun herrschte, es einem schwer machte, ĂŒberhaupt zu atmen. Die Lunge erweckte den Anschein, als könnte sie nur noch halb so viel Luft in sich tragen, wie sie es sonst immer konnte. Man war diesem ewigen Zustand ausgesetzt und von ihm ĂŒberrumpelt worden. Nun war er hier, dieser Winter, so grausam und hĂ€sslich, wie er es noch nie gewesen war. Viel war einem nicht mehr ĂŒbergeblieben, weil selbst das Leben wie eine Last nun war. Dieser endlose Winter mit diesen riesigen Mengen an Schnee hatte die Welt ĂŒbernommen und er schien einfach nicht zu gehen. Er war so schnell und unerwartet gekommen und erweckte jetzt den Anschein, als könnte ihn nichts und niemand wieder vertreiben. Dieser grenzenlose Winter gehörte nun zu dieser zuvor völlig normalen und unkomplizierten Welt. Man wusste nicht, ob er wieder vergehen wĂŒrde oder dieser herzzerreißende Umstand nun der Normalzustand war und ob es je wieder Sommer werden wĂŒrde. Man wĂŒnschte sich diesen Sommer herbei, die Freude, die Hoffnung, das warme Licht und die GerĂ€usche, die einem Entspannung gaben und das Leben versprachen. Denn dieser friedlose Winter erdrĂŒckte einen und versuchte einem jedem Lebewesen jegliche Freude und Willenskraft zu entnehmen und sich zu rauben. Keine Menschenseele wusste, ob es je wieder Freude oder Grund zum Feiern gab. Alles, was man wusste, war, dass dieser Schnee nicht taute und der Winter einen verfolgte, wie die Katz‘ eine Maus. Hier war nun diese ganze Welt gefangen, gefangen in dieser kĂ€ltesten Zeit, die es jemals gegeben hatte. Denn der Schnee taute nicht, die Wolken vergingen nicht und der Wind war frech und aggressiv zugleich. Ob es je wieder Sommer geben wĂŒrde, war nicht gewiss, doch der Sommer nach diesen aggressiven und eiskalten Zeiten wĂ€re der grĂ¶ĂŸte Segen, den die Welt bekommen könnte. Der frische und lebendige Sommer wĂ€re der Retter in dieser Not, denn ohne diesen Sommer wird die Welt in dieser KĂ€lte und Gewalt untergehen.

© Franzi Brunner 2024-07-22

Genres
Romane & ErzÀhlungen