von Julia Müller
Es gibt diese Sorte Männer, die es so sehr gewohnt ist, von Frauen angelächelt zu werden, dass sie es regelrecht einfordern, wenn es ihnen verweigert wird. Ständig freundlich und zuvorkommend behandelt zu werden, muss einen ungeheuren Placeboeffekt haben. Möglicherweise findet dabei sogar eine Art Energieübertragung statt. Kein Wunder also, dass einige dieser Männer ein geradezu ungesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Würde mich nur die Hälfte der Leute, denen ich tagtäglich begegnen, wohlwollend anlächeln, könnte ich bestimmt auch auf die Idee kommen, dass es eine großartige Sache wäre, ein Auto ins Weltall zu schießen.
Lächeln ist also eine äußerst hilfreiche, aber auch anstrengende Dienstleistung, wie die Soziologin Arlie Russell Hochschild in ihrer Forschung über Emotionsarbeit feststellt. Obwohl ein freundliches Lächeln für viele Dienstleistungsberufe eine vorausgesetzte Fähigkeit ist, wird es finanziell kaum entlohnt. Im Gegenteil. Das Lächeln der Femininen wird für den Mindestlohn verramscht und mit Trinkgeld diszipliniert.
So kam es also, dass viele ihr Lachen an den Baron de Lefouet verkauften. Der hatte viel Geld mit Kryptos gemacht und wollte seine Sammlung vervollständigen. Für viele wichtige Männer sollte es ein schwarzer Tag werden, als sie an diesem Morgen auf die Straße traten. Ohne die Bestätigung von Frauen fühlten sie sich plötzlich leer und kraftlos. Nicht wenige bekamen regelrechte Entzugserscheinungen oder mussten ganz im Bett bleiben. Einige warfen sich auf den Boden und strampelten mit Armen und Beinen, weil ihnen die Situation so unerträglich war. Eine tückische Krankheit überfiel sie, deren Schrecken sie sich in ihren finstersten Träumen nicht hätten ausmalen können. Selbstzweifel. Plötzlich war nichts mehr sicher. Waren sie für ihre Position überhaupt geeignet oder profitierten sie nur von der Männerquote? Waren ihre Ideen wirklich so gut oder kamen sie nur damit durch? War es tatsächlich gerechtfertigt, für ihren persönlichen Profit den Planeten zu zerstören? In der Folgezeit traten viele Männer aus hohen Positionen zurück. Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Autobahn verringerte sich drastisch. Der Regenwald wurde nicht weiter abgeholzt und konnte sich langsam erholen.
„Und was war mit denen, die ihr Lachen verkauft haben?“
Die nutzten das Geld, um ein anarchistisches Kollektiv aufzubauen. Da sich ihre Mundwinkel endlich entspannen konnten, wurden einige sogar ihre Migräne los. Und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.
„Noch eine Geschichte Mama.“
Nein, jetzt wird geschlafen, mein Schatz und morgen erzähle ich dir dann die Legende vom Schönheitsstreik.
© Julia Müller 2022-08-31