von Anita Altenhofer
Es war kurz nach Mitternacht, als mein Handy aufleuchtete und dein Name den dunklen Bildschirm erhellte. Ein Augenblick, der mir den Atem raubte – ein Augenblick, in dem ein Sturm aus Emotionen in mir tobte, der so überwältigend war, dass ich ihn niemandem je anvertraut habe. Mein Herzschlag wurde schneller, meine Hände zitterten leicht, während meine Lippen ein unwillkürliches Lächeln formten. Es war lange her, dass jemand dieses Gefühl in mir auslöste. Deine Nachricht war knapp, fast beiläufig: „In zehn Minuten bin ich bei dir. Wir fahren raus, um die Nordlichter zu sehen.“ Nordlichter in Österreich – eine seltene Sensation, fast so unwahrscheinlich wie du und ich. Natürlich schrieb ich zurück: „Ich bin bereit.“ Hättest du wirklich etwas anderes erwartet? Hastig zog ich meinen schönsten Pullover über – den, von dem ich wusste, dass er dir gefallen würde. Vor dem Spiegel musterte ich mein Spiegelbild: Waren meine Augen lebendig genug? War mein Lächeln schön genug für dich? Meine Haare hatte ich zu einem Zopf gebunden, doch in einem impulsiven Moment löste ich sie und ließ sie in sanften Wellen über meine Schultern fallen. Du hattest immer betont, wie sehr dir meine Haare gefielen. Draußen drang das vertraute Brummen deines Autos durch die kühle Nacht, als du vorfuhrst. Das warme Licht der Straßenlaternen spiegelte sich in deinen Augen und ließ sie funkeln wie Sterne, dein Lächeln strahlte heller als der Mond. Kaum saß ich neben dir, legtest du deine Hand sanft auf meinen Oberschenkel und strichst in beruhigenden Kreisen über meine Haut. Du wusstest genau, wohin du mich bringen musstest: zu unserer kleinen Bank am Stadtrand, einem geheimen Rückzugsort, der sich wie eine Brücke zwischen uns und dem Rest der Welt anfühlte. Dort, wo die Stadtlichter wie winzige Sterne am Horizont schimmerten, legte sich Stille über alles. Ich kuschelte mich an dich, meine Finger um deinen Arm geschlungen, während deine Hand sanft über meinen Oberschenkel streichelte. Unsere Blicke wanderten gemeinsam nach oben, zum Himmel, der in einem betörenden Tanz aus Farben explodierte – Grün, Violett, Pink, ein schimmerndes Meer aus Licht, das über uns hinwegströmte. Wir versuchten, Formen in den Nordlichtern zu erkennen, lachten und träumten, Seite an Seite. Deine Nähe, deine Wärme – sie verwandelten diesen ohnehin schon magischen Ort in einen unvergesslichen Moment. Dann glitt dein Blick von den Himmelslichtern zu mir. Du sahst mich an, als wäre ich der einzige Stern in deiner Galaxie. Deine Lippen fanden meine, zärtlich und voller unausgesprochener Worte. Der Kuss fühlte sich an wie ein Versprechen, zeitlos und intensiv, als wäre er für immer in uns beiden eingeschrieben. Ich wollte diesen Augenblick festhalten, ihn konservieren und nie loslassen. Diese Nacht war ein unendlicher Moment, getragen von einem stillen Wissen: du, ich und das leuchtende Himmelszelt über uns.
Aber das Schicksal ist unberechenbar, und manchmal zerbricht etwas, bevor das Herz die Veränderung begreifen kann. Nach einiger Zeit verloren deine Augen ihren Glanz, und deine Stimme klang plötzlich fremd, schwer vom unausweichlichen Abschied. An diesem Ort, der einst die Bühne für eine der schönsten Nächte meines Lebens war, brachst du mir das Herz. Während die Nordlichter irgendwo weit entfernt weiterleuchteten, verlosch etwas in mir.
© Anita Altenhofer 2024-08-30