von mila-lebt
Augen zu. Das ist viel zu fest. Locker leichtes Schließen. Das ist zu leicht. Jetzt dringt zu viel Tageslicht durch. Irgendwas dazwischen muss es sein. Egal! Konzentriere dich erst einmal auf dein drittes Auge. Zwischen den Augenbrauen. Da wo die Grübelfältchen sind. Merkst du jetzt, wovon sie kommen? Lass vor allem den Kopf locker. An nichts denken. Zur Ruhe kommen. Aber wie, wenn die Füße kribbeln? Falsche Haltung. Ich muss meine eigene finden: meinen ganz eigenen Sitz. Mehr anwinkeln, den rechten Fuß weniger eindrehen, schließlich ist der etwas breiter als der linke. Gut. Nein, nicht gut, jetzt ist es kalt. Wie damals als ich diesen elenden Traumreise-Kurs für Schwangere mitgemacht habe und einem kalten Zug ausgesetzt war. Zug? Gedankenzug. Meine Gedanken liebten es sich wie endlos viele Waggons aneinanderzureihen. Und ständig fuhr dieser Zug. Ständig transportierte er was. Positives, Negatives, ganz gleich. Schalt ab! So wie Carlos es dir sagte. Er war nicht grundlos so beliebt und ausgebucht. Find mal einen Heilpraktiker, der sogar familiär dazu berufen war. Aus einer direkten Linie peruanischer Medizinmänner stammend konnte er nur recht haben. So, durchatmen. Den Punkt oben auf der Schädeldecke fixieren, den im Oberbauch mittig kurz unter den Rippen anvisieren, um dann einen Schlenker wieder nach oben zum dritten Auge zu machen. Und wieder von vorne. Halte den Kreislauf. Immer und immer wieder. Und dann war er da: der blaue Punkt zwischen den Augen. Kein Zug mit den schwer beladenen Waggons, keine kribbelnden Füße, Leichtigkeit. Wie eine pulsierende Öffnung in eine andere Welt. Changierendes Blau in unterschiedlichen Nuancen. Ich wollte mehr davon. Es folgte aber ein abruptes Ende. Ohne jegliches Fremdeinwirken knickte der Kopf nach hinten weg. Als hätte ihn jemand gewaltvoll nach hinten gedrückt. Was war das? Mit viel Gegendruck schaffte ich es, ihn wieder in seine Ursprungsposition zu bringen. Der Nacken schmerzte. Auch dafür hatte Carlos eine Erklärung. Pass auf, wem du die Türen öffnest. In dieser Welt suchen böse Energien schutzlose Gefäße. Nein, ich war kein Gefäß, sondern ein Bollwerk. Meinen blauen Punkt wollte ich behalten und erforschen, wohin mich dieser Eingang brachte. Also auf ein Neues, diesmal der Gefahren bewusst. Da der Körper sich ohnehin ab einem bestimmten Zeitpunkt verlor, beschloss ich in der Wanne zu meditieren. Blaues Flackern, meine neue liebgewordene mentale Farbmischpalette. Und dann erneut dieser Druck gegen die Stirn, Spannen im Nacken. Nein, diesmal bekommst du mich nicht. Wie ein Fremdkörper löste sich der Kopf und schnallte zurück. Aus dem blauen Punkt wurde ein gleißendes grünes Licht, in das ich fiel. Um mich herum Palmen, eine Straße, auf der ich fuhr. Mit meinem Blick fokussierte ich das Ziel und als ich wissen wollte, wohin die Reise ging, erwachte ich urplötzlich. Um mich herum das lauwarme Badewasser. Faszinierende neue Welt. Nun hatte ich am eigenen Leib die andere Dimension erfahren, die Carlos so glorifizierte. Ich dankte ihm, ohne mit ihm zu sprechen. Während meiner nächsten Reise den Dank erwidernd, tauchte er mich in ein weißes, gleißendes Licht und zeigte sich mir als überdimensionale, hell erleuchtete Erscheinung. Wäre ich religiös, hätte ich von einem Engel gesprochen, der mich in seine Arme nahm und das wohligste Gefühl bescherte, das ich jemals empfunden habe. Danke!
© mila-lebt 2024-11-24