Als Zeichen der Akzeptanz

Laudine

von Laudine

Story

Neulich beim Aufräumen ist sie mir wieder untergekommen – die Schale mit den vielen selbstgebastelten Kranichen, die ich im Jahr 1999 von Kimmy erhalten habe. Kimmy kam jeden Tag in die Bibliothek, in der ich als studentische Aushilfskraft arbeitete. Seine Schule war gegenüber und er musste viel lernen. Ursprünglich kam er mit seinem Vater, der Pastor war, aus Korea hierher und gerade im Unterrichtsfach Deutsch hatte er zu kämpfen, deshalb wollte er seinen Rückstand an einem ruhigen Platz aufholen und unter den Fittichen eines anderen Koreaners, Kim, der seine Dissertation hier schrieb und buchstäblich zum Inventar gehörte, sein Deutsch durch pausenloses Pauken verbessern. Kim und Kimmy.

Aber pausenloses Pauken geht nicht und so versuchte ich mit beiden ein wenig ins Plaudern zu kommen, was uns bald liebgeworden ist, Kultstatus für uns erreichte und sich doch auch in den Deutschkenntnissen bemerkbar machte, wie ich meinte. Bis – ja bis sich Kimmys Verhalten mir gegenüber plötzlich änderte.

Zunächst schien es so, als hätte ich einen stillen Verehrer. Als ich eines Tages in den Dienst kam, es war gerade Weihnachtszeit, fand ich einen Apfel für mich hinterlegt. Ich freute mich sehr über dieses “Wichtelgeschenk”, denn ich liebte und liebe Äpfel über alles. Wie aufmerksam! Dann war wieder ein Nusskipferl hinterlegt. Und wieder die Woche darauf überreichte mir die Bibliothekarin einen Schlüssel für ein Schließfach vor der Bibliothek: “Das ist für dich abgegeben worden!”, meinte sie. Nanu? Ich benutzte doch keinen Schließfächer?

Als ich es öffnete, fand ich eine rote Rose darin – und die ist wohl ein eindeutiges Symbol. Ich sprach Kimmy darauf an und der gestand mir mit rotem Gesicht, dass er sich in mich verliebt hätte. Ich schluckte. Ich fand in liebenswert und nett, aber der Funke ist bei mir nicht übergesprungen. Bitter, das jemandem zu erklären. Von da an war er zwar tagtäglich in der Bibliothek, distanzierte sich aber von mir und wirkte geschäftig. Ich drängte ihn nicht, vielleicht brauchte er die Distanz?

Nun ist es in Korea so, dass es den Brauch gibt, 1000 Kraniche zu falten, wenn man sich selbst oder jemand anderem etwas wünscht. Und so kam es, dass er mir am Tag vor den Weihnachtsferien diese riesige Glasschale schenkte, mit 1999 Kranichen darin. 1000 dafür, dass ich immer gesund und glücklich –und 999 als ZEICHEN DER AKZEPTANZ dafür, dass ich NICHT in ihn verliebt bin.

Später kamen noch einige männliche Wesen dazu, denen ich – aufgrund von Gefühlen, die ich einfach nicht teilte – einen Korb geben musste, aber die Reaktion von Kimmy ist die reifste gewesen, die ich jemals nach einer Ablehnung erlebt habe, und er war damals gerade einmal 18 Jahre alt. Er hat seinen Kummer einfach in Form von Mini-Origami-Kranichen weggefaltet. Irgendwann haben wir uns aus den Augen verloren.

Ich schicke dir, Kimmy, 1999 liebe GrĂĽĂźe und all meinen Respekt nach Soul oder wo immer du jetzt bist! Es war ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk!

© Laudine 2020-12-30

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