Alte Bekannte

Yeahlena

von Yeahlena

Story

Da ist sie wieder, die alte Bekannte, die mich wieder aufsucht und gedenkt, länger zu bleiben. Ihr Name? “Arbeitslosigkeit”. Sie hat auch gleich ein paar Freunde mitgebracht, die mir gar nicht sympathisch sind. Das wären “Unsicherheit”, “Nicht-gut-genug-sein” und “Wir-haben-jemanden-besser-geeigneten-gefunden”. Manchmal guckt auch der “Ich-mag-nicht-mehr” durchs Fenster und winkt mit einem dümmlichen Lächeln. Die eifersüchtige “Depression” steht etwas abseits und blickt neidisch in seine Richtung, wagt sich aber nicht näher ans Haus heran. Das ist auch gut so.

Eine neue Stelle zu suchen und zu finden ist manchmal eine echte Herausforderung. Einerseits stupst mir dauernd der “Dein-Profil-passt-nicht” in den Rücken, andererseits bedrängt mich der “Nicht-gut-genug-sein” und schaut mir ständig über die Schulter. Man, so kann ich mich ja gar nicht konzentrieren! Ich mag es nicht, wenn man mir bei der PC-Arbeit über die Schulter schaut.

Wenn ich dann doch etwas gefunden habe, das meinem Profil zu entsprechen scheint, steht plötzlich die ominöse Hutträgerin vor mir mit erhobenem Zeigefinger. Wie schafft die es bloss, all die HĂĽte “Familie”, “Haushalt”, “Job” und “Ehefrau” gleichzeitig zu tragen? Ich atme tief durch. Hinter dem RĂĽcken hat sie noch weitere HĂĽte in der Hand versteckt, die wĂĽrde sie bei anderen passenden Gelegenheiten hervorholen, da bin ich mir sicher. Aber die Hutträgerin nervt mich. In ihrer Gegenwart fĂĽhle ich mich so richtig klein, unzulänglich und ja – etwas ĂĽberfordert. Was soll ich denn blos tun? Sie will einfach nicht verschwinden. Sie wirbelt herum und hinterlässt eine Staubschicht auf dem Boden.

Um meine Gedanken von diesen ungebetenen Gästen zu befreien, unternehme ich einen Spaziergang mit dem Hund oder gehe meinen Hobbies nach. Naja, ich versuche es zumindest. Denn sobald ich etwas zeichnen möchte, ist wieder der “Nicht-gut-genug-sein” da und zeigt mir die grafischen Arbeiten von Designern auf Instagram. Ich stöhne und schiebe ihn mit dem Tablet zur Seite. Nicht jetzt. Wenn ich im Bett liege und etwas neutrales lese, dann setzt sich “Unsicherheit” zu mir an den Bettrand, auf seiner Stirn steht “Fachliteratur-wäre-besser” geschrieben. Er zwinkert mir herausfordernd zu. Ich schnalze mit der Zunge, lege das Heft weg und versuche einzuschlafen, wäre da nicht die “Arbeitslosigkeit”, die mir gelangweilt auf den Kopf klopft. Tock, tock.

Zum Glück aber habe ich auch Freunde, die mir helfen, den Ausgleich zu finden. Wenn die Sonne scheint, streichelt mir “Fröhliches-Gemüt” übers Gesicht. Wenn ich zur Ruhe komme, dann tätscheln mir “Hoffnung” und “Alles-wird-gut” auf die Schulter. Treffe ich mich physisch mit Freunden und Bekannten, dann setzt sich die “Zuversicht” mit an den Tisch und lauscht.

So bete ich, dass mit der Zeit die alten Bekannten aufgeben, mich in Ruhe lassen, und von dannen ziehen.

© Yeahlena 2022-04-06

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