Alter Mann am Arsch

Andreas Trimmel

von Andreas Trimmel

Story

„Alter Mann am Arsch“, um John Malkovic („R.E.D.“) zu zitieren. So fĂŒhl’ ich mich grad.

Wer ist bloß auf die bescheuerte Idee gekommen, dass ich – ICH!!! UNTRAINIERT!!! – diese verrĂŒckte Mountainbike-Tour in Angriff nehme und durchziehe?!? Dass es mein fĂŒnf Stunden Ă€lteres, ziemlich ĂŒbermĂŒtiges und vollkommen ĂŒbermotiviertes „Ich“ war, das ist mir jetzt grad sowas von egal.

GefĂŒhlt hab’ ich heut’ mehr Höhen- als LĂ€ngenmeter zurĂŒckgelegt. Gut 900 waren’s, himmelwĂ€rts (und dann auch noch talwĂ€rts, somit quasi 1.800). GegenĂŒber 35 in der LĂ€nge. Ok, das mit der Skalierung, das mit den Maßeinheiten, das habt ihr durchschaut, ich weiß.

Und ich weiß auch, fĂŒr Sportler wĂ€r’ das ein kurzes Training, eine Tagesabschlusstour, ein gemĂŒtliches Ausrollen. Aber fĂŒr mich?!? FĂŒr mich war das kein Training, nein – das war Sterben mit Anlauf. Sehr, sehr langem Anlauf.

Fix und Foxi lieg’ ich darnieder und versuch’ erfolglos, mich zu regenerieren. „Reanimieren“ wĂ€re wohl der treffendere Begriff.

Auch so ein SchmĂ€h der Sportwissenschaftler. Das funktioniert nicht, Leute – von wegen Regeneration, Superkompensation und so! Ich werd’ einfach nicht besser, nicht trainierter, nicht konditionsstĂ€rker!

Schön war sie ja, die Tour. Landschaftlich gesehen. Doch die Wahrnehmung dieser Schönheit stieg umgekehrt proportional zur Menge der zurĂŒckgelegten Meter.

Zwischendurch bin ich mal eingekehrt, hab’ meine FlĂŒssigkeitsvorrĂ€te aufgefĂŒllt. Passend zum Tag. Stilecht. Mit einem sauren Radler.

Die Tour war nicht nur körper-, sondern auch materialermĂŒdend. Auf den Bremsscheiben hĂ€tten Spiegeleier voller Freude ihrem finalen Aggregatszustand entgegengebrutzelt.

Ja, die TrĂ€gheit der Masse. Wenn die erst in Bewegung ist, da will sie gar nicht mehr aufhören, da muss sie schon mal gebremst werden. Warum funktioniert das nicht auch bergauf so einfach, das mit „Masse in Bewegung bringen“? (Memo an mich: „Nach Wiederbelebung unbedingt die Physik umschreiben. Da geht noch was. Siehe Einstein.“)

Also wurde die Masse gebremst, die Scheiben rasch und radikal auf Spiegelei-Temperatur gebracht. Nein, nicht „Wer bremst, verliert!“. Denn hĂ€tt’ ich NICHT gebremst, dann hĂ€tt’ ich ALLES verloren. Den Grip, die Haftung, die Kontrolle – und auch die Zentripetalkraft an die Zentrifugalkraft. Dann wĂ€r’ aus der Mountainbike-Tour eine Segelflugshow geworden – ohne Segel. (Andererseits: Das wiederum hĂ€tte die Bremsen geschont. Ein echtes Dilemma.)

Weil wir grad bei Segel sind: Auch wenn ich den Wind auf meiner Seite hatte, der RĂŒckseite, und er versuchte, mich bergwĂ€rts zu wehen: Ohne Segel geht da wenig. Da kann ich mich breit machen, wie ich will – und ich HAB’ mich breit gemacht, glaubt mir. So breit, dass ich einen Förster-Ferrari blockiert hab’.

So. Genug reanimiert. Jetzt such’ ich mal mein Alter Ego. Hab’ ein ernstes Wörtchen mit ihm zu reden.

© Andreas Trimmel 2020-07-13