Den Geschmack von Cappuccino-Milchschaum noch auf den Lippen, spazieren wir an alten, stilvoll restaurierten Gemäuern vorbei. Ehemalige Mühlen, wie Perlen an einer Kette aneinandergereiht, zeigen, wie kreativ früher (und auch heute noch) die Kraft des Alten Baches genutzt wurde. An der Rückseite eines behutsam sanierten Gebäudes dreht sich munter ein riesiges hölzernes Mühlenrad, welches die Kraft des über einen langen offenen Kanal zugeführten Wassers mittels Peltonturbine verstromt. Das Prinzip funktioniert auch nach mehr als hundert Jahren noch einwandfrei. In diesem engen Tal bei Salzburg wurde früher Metall verarbeitet. Es gab Schmiede, Nagel- und Ringelschmiede, Drahtzieher und eine Messinghütte. Eine Industrie, die vielen Menschen Brot und Arbeit gab. Das Schlagen des Hammerwerks muss einstmals weithin zu hören gewesen sein. Auch die Bauern vom nahen Heuberg nutzten den Alterbach und mahlten ihr Getreide in den Mühlen.
Nach Durchquerung einer kleinen, an den bewaldeten Hang sich schmiegenden Siedlung wird der Weg so schmal, dass wir die Hände voneinander lassen müssen. Wir passieren eine Reihe von künstlich geschaffenen Staustufen, etwas vollmundig als „Gnigler Wasserfälle“ bezeichnet. Es mag am wolkenverhangenen März-Himmel oder dem Niedrigwasser oder an beidem liegen, dass mir das Bild eines Wasserfalls einfach nicht stimmig erscheinen will. Entwurzelte Bäume und abgerissene Äste liegen an manchen Stellen quer über dem Alten Bach und dem Wanderweg.
Der Schotterweg, nun wieder breiter und flankiert von teils morschen Holzgeländern, zieht sich weiter das enge Tal bergwärts. Wir gehen flott, uns unterhaltend, scherzend, Gott und die Welt Revue passieren lassend. Mein Daumen spielt mit einem ihrer langen rot lackierten Fingernägel. Der geruhsam dahinplätschernde Bach, der in der Vergangenheit mehrmals seine Zerstörungswut demonstrierte, ist unser stiller Lauscher. 1572 vernichtete er das Hammerwerk, im 18. und 19. Jahrhundert sorgte er für Verwüstungen in Gnigl. Der homo technicus tat, was er in solchen Fällen immer tut: Er verbaute den Bach, begradigte ihn über weite Strecken kanalartig und regulierte den Wasserdurchfluss. Trotzdem zeigte der Alterbach 1977 in einem Jahrhunderthochwasser, welch schwere Folgen die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit und fehlende Retentionsräume zeitigen können. Der Mensch ist durchaus lernfähig und so hat man den Unterlauf teilweise renaturiert und ein Naherholungsgebiet geschaffen. Das scheint die Flussgeister besänftigt zu haben.
Erstaunlich, wie wenig wir oft auf die unscheinbaren Schönheiten um uns herum achten. Hunderte Male bin ich die Bundesstraße entlang gefahren, die nur wenige Meter neben dem Alten Bach sich den Berg nach Koppl hinauf schlängelt. Er mag keine Sehenswürdigkeit erstes Ranges sein, der Alte Bach, schon gar nicht in Salzburg, wo sich mit Festung, Altstadt und Festspielbrimborium ganz andere Kaliber auftun. Er mag seiner ursprünglichen Wildheit beraubt sein, in seiner Bedeutung als Energielieferant reduziert, in gezähmte Bahnen geleitet. Aber es lohnt sich, hier (und auch andernorts) gelegentlich innezuhalten und den Blick nach rechts und links schweifen zu lassen.
© Klaus P. Achleitner 2024-04-04