Am Ende aller Denkmäler

Story

In Padua steht seit über 500 Jahren neben dem Dom ein Reiterstandbild, das einen längst vergessenen Herren mit dem Spitznamen Gattamelata zeigt – die gefleckte Katze. Von Beruf war er Condottiere, also ein bezahlter Söldnerführer. Auf einem ruhigen kleinen Platz in Venedig steht ein recht ähnliches Standbild, das einen Berufskollegen des Gattamelata zeigt, einen gewissen Colleoni, der der Stadt Venedig sein Vermögen vermachte.

Söldnerführer ist kein angesehener Beruf mehr und keiner würde den beiden noch ein Denkmal setzen. Kriege muss man heute mit hehren Motiven verbrämen. Die beiden Denkmäler verdanken ihr bislang unbehelligtes Dasein an so prominenten Orten wohl dem Umstand, dass sie schon so lange dort stehen, dass keiner mehr über die Dargestellten nachdenkt, und auch ihrer kunsthistorischen Bedeutung, denn den Gattamelata verewigte kein Geringerer als Donatello, übrigens als erstes großes Reiterstandbild seit der Antike, und den Colleoni schuf Andrea Verrocchio.

Denkmäler errichtet der Mensch schon seit Jahrtausenden, und genau so lange werden Denkmäler auch wieder gestürzt, denn Ruhm und Ansehen waren immer schon Kinder ihrer Zeit. Denkmalsturm ist auch heute wieder ein Thema, manchmal zu Recht, oft zu Unrecht, wenn in jeder sonst untadeligen Biographie nach einem dunklen Fleckchen gesucht wird. Da findet sich fast immer etwas, wenn man lange genug hinschaut, sei es im Licht von rechts oder von links.

Wenn man auf das Wort “Denkmal” selbst länger hinschaut, sieht man, dass es zum Denken auffordert, zumindest im Deutschen, und nicht zum Verehren, obwohl allein durch die Platzierung auf einem Sockel viele Denkmäler wohl eher Verehrmäler heißen müssten. Sieht man es aber als Denkanstoß, wäre es um manches Denkmal schade, denn gerade dadurch, dass es aufregt, regt es zum Nachdenken und Nachforschen an. Hätte Lueger kein Denkmal in Wien, spräche niemand mehr über seinen Antisemitismus.

Ein Denkmal soll durchaus ein Stolperstein sein, so wie die kleinen Messingtafeln in Wien, die auf den Gehsteigen vor den Häusern an jene erinnern, die einst von hier vertrieben wurden. Die wirksamsten Kriegerdenkmäler sind die Namenslisten der Gefallenen, ganz ohne heroische Schlachtenszenen. Und in Dublin steht am Ufer des Liffey ein Denkmal, das mich ganz besonders beeindruckt hat. Es stellt eine Gruppe Iren während der Hungersnot im 19. Jahrhundert dar, errichtet auf Straßenniveau, sodass sich jeder in den Zug der Elendsgestalten einreihen kann.

Die Diskussion über gute und schlechte Denkmäler wird andauern, solange es Denkmäler gibt, und die sollte es geben, sogar die umstrittenen. Ein Denkmalsturz macht nichts wieder gut. Man nimmt uns ganz im Gegenteil die unangenehmen Mahnungen nur aus dem Blick, damit wir in unserem politisch korrekten Disney-Märchenland nicht mehr daran denken müssen. Ein Denkmal ist weg und wir sind zufrieden – aber am Ende aller Denkmäler ist immer noch die ganze Geschichte da.

© 2022-05-30