Am Ende war das Licht

Mira Wagener

von Mira Wagener

Story

Das Ende der Welt:

Am Anfang schuf der Mensch Wohlstand und Fortschritt. Doch es war ihm, als wäre dies nicht genug. Und so sprach er: Ich brauche mehr. Und es wurde mehr. Der Mensch sah, dass er für seine Pläne mehr Platz benötigte und so rodete er die Wälder. Er schied die Natur von den Menschen und nannte dies Zivilisation, erster Tag.

Dann sprach der Mensch: Ich brauche mehr Energie und Komfort und schuf Maschinen, die ihn transportierten und grub in den Tiefen der Erde, um ihre Rohstoffe zu benutzen. So geschah es und die Luft wurde dreckig und warm, zweiter Tag.

Dann sprach der Mensch: Es werde Wasser, aber er meinte sauberes Trinkwasser und keine salzigen Fluten. Doch es schien, als wäre er weniger Gott als er glaubte. Er nannte dies bedenkenlos und nährte sich von den Pflanzen und den Tieren, die er sich untertan gemacht hatte und genoss alle Arten Früchten und Lebewesen und sah, dass es gut war. Es wurde Morgen und Abend: dritter Tag.

Dann sprach der Mensch: Ich brauche mehr Luxus. Denn die Sommer wurden zu heiß und trocken und zu Weihnachten fiel kein Schnee mehr, also reiste er in all jene Länder, die ihm angenehm waren. An den Küsten wurde um Hilfe gefleht, doch der Mensch wollte sich nicht einschränken müssen. Es wurde Abend, vierter Tag.

Dann sprach der Mensch: Das Wasser wimmele von lebendigen Wesen, die mir Geld bringen. Und so tötete er die Fische und verkaufte sie als Essen und warf faul seinen Müll als Verdienst zurück. Die Korallen verblichen und das Ökosystem brach zusammen, aber weil der Mensch mit Macht noch nichts davon spürte, begann der nächste, der fünfte Tag.

Dann sprach der Mensch: Noch mehr Verdienst bringt mir das Land. So trocknete er die Moore, quälte die Tiere und unterdrückte seine schwächeren Mitmenschen, um aus ihnen noch mehr Profit zu schlagen. Er ignorierte die Folgen, die er hinterließ wie eine Schneise aus Gift. Niemand würde ihm sein Schnitzel nehmen und Warmperioden gäbe es schon immer, so begann der sechste Tag.

Am sechsten Tag schuf der Mensch sein eigenes Verderben. Zu lang, hatte er die Symptome ignoriert, nun stand das Wasser auch an seiner Tür. Nie hatte er sich darum geschert, dass Ozeanien in der dreckigen Flut versank und dass der Durst nicht nur zwei Stunden andauern konnte. Als es um sein eigenes Leben ging, der Leidensdruck zu groß war, geriet er in Panik. Aber wie besonders war er schon, wenn doch seinesgleichen schon seit Jahrzehnten an Hunger starben? Am Montag tötete der Mensch die Bienen, am Samstag unfreiwillig sich selbst.

Am siebten Tage da… wurde die Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben. Nur eines war deutlich: Wollte der Mensch überleben, so durfte er am siebten Tage nicht ruhen, doch seine Taten lagen alleine bei ihm, denn der Gott, den er anbetete, hatte beim Anblick der Dummheit des Menschen kopfschüttelnd das Weite gesucht.

© Mira Wagener 2025-01-03

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Komisch, Angespannt
Hashtags