von Fabiennne
„Ob die Römer in ihren Wachtürmen wohl schon Wettkämpfe abgehalten haben?“
„Wie meinst du das?“
„Naja, Stufenleitererklimmen oder Treppenläufe auf die Spitze?“
„Ich sage nur Brot und Spiele.“
„Du meinst, dass die Römer sich auch fern der Heimat, durch Wettkämpfe und Brot ablenken ließen?“
„Klar, was für Rom galt, sollte hier nicht funktioniert haben?“
„Aber anfangs war der Turm nur 30 Meter hoch.“
„Muss doch spannend gewesen sein, dort rauf zu laufen?“
„Vermutlich war es eher ein Sprossenerklimmen.“
„Dann dürften die 258 Stufen jetzt angemessener für einen Wettkampf sein?“
„Bestimmt, wenn man bedenkt, dass für den Turmlauf noch drei Stufen hinzugezählt werden, denn die Startlinie ist genau drei Stufen draußen vor dem Turm gelegen.“
Wir stehen vor dem großen Turm, links neben dem Augsburger Rathaus. Für den Perlachturm hatte 1989 Hermann Volkmann, ein Geographielehrer die Idee, zum 1000. Geburtstag des ursprünglichen Wachturms einen Turmlauf zu veranstalten. Begeisterung führte zur Umsetzung und irgendwie wurde dieser Turmlauf der Vater aller Turmläufe; es setzte fast ein Turmlaufboom ein. Immer mehr Treppenhäuser wurden zu Wettkampforten.
Dabei hatte der Perlachturm im 10. Jh. mal als Wachturm angefangen, dort oben auf dem Hochplateau, auf dem er immer noch steht. Die Glocke einer nahen Kirche wurde im Sinne der Amtshilfe, als Signalgeber im Alarmfalle benutzt. 1348 war man diesen Austausch von Amtsleistungen wohl leid und staffierte den Turm mit einer eigenen Feuerglocke aus. Läuten durfte die Glocke dann aber nur der einzig berechtigte Amtsdiener, der Schultheiß der Stadt. Heute nennen wir den Gemeindevorsteher oder Exekutivbeamten. Irgendwann erhöhte man den Turm auf 63 Meter und statte ihn auch gleich mit einem Uhrwerk aus, dessen Glocke die Bevölkerung mit viertelstündlichen Glockenschlägen die Zeit in Erinnerung rief.
Bis 1618 war Elias Holl, der große Augsburger Stadtbaumeister, dann nicht nur für den Bau des Rathauses beauftragt, sondenr er legte auch Hand an den Nachbarn des neuen Prunkbaues an. Neben dem Aufhübschen der Turmfassade kamen auch noch einmal 7 Höhenmeter hinzu, weil dem Turm eine Kuppel mit Laterne und bayerntypischer Zwiebelhaube aufgesetzt wurde. In luftiger Höhe wacht zudem seitdem Cisa, die heidnische Stadtgöttin, auf der Spitze sitzend, über die Stadt.
Je höher ein Turm, je besser die Sicht, je eher missbraucht man die Position auch und im Zweiten Weltkrieg wurde der Turm zu einem Flak-Posten vergewaltigt. Damit stieg der Turm in den Rang alliierter Bombenziele auf und ging schwer geschädigt, aus diesem ungleichen Kampf hervor. Wie vieles in Augsburg wurde er in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt und erstrahlt neben seinem Nachbarn, dem Rathaus, in alten Glanz.
„Was liegt da näher, wie ihn zum Austragungsort von Wettkämpfen zu machen. Wo liegt der Zeitrekord für die 70 Meter?“
„Knapp unter einer Minute.“
„Wollen wir beim nächsten Lauf mitmachen?“
© Fabiennne 2021-04-27