von MyBarefootSoul
Die bisher beeindruckendste Nacht meines Lebens verbrachte ich mit zwei Männern und einer feuerspeienden Naturgewalt.
Es begann eines Abends im Sommer 1994 in zwei Schlafwagenabteilen im Nachtzug nach Rom. Sechs Freunde machten sich auf den langen Weg nach Vulcano, einer der sieben Äolischen Inseln nördlich Siziliens.
Am nächsten Morgen stiegen wir in Rom in einen heillos überfüllten zirka 50 Grad überhitzten Regionalzug Richtung Süden um und als wir am frühen Abend nach knapp 24 Stunden im selben Gewand an der Stiefelspitze Italiens ankamen, waren wir sozusagen gesotten im eigenen Saft.
Um die Meerenge bei Messina zu überwinden, wurden die Waggons auf eine Fähre verladen.
Auf Sizilien angekommen wurde der Zug wieder auf das feste Schienennetz befördert und setzte die Fahrt an Land fort. Vor Mitternacht erreichten wir verspätet die Endstation und beeilten uns, um noch die letzte Fähre nach Vulcano zu erwischen. Wir haben Glück, zwei der Freunde konnten sich italienisch verständigen und so erreichten wir die Fähre rechtzeitig, denn wir hatten keine Lust, mit Gepäck für sechs Personen eine Nacht im Freien auf einem sizilianischen Hafen zu verbringen.
Hundemüde, dreckig und verschwitzt erreichten wir nach 30-stündiger Reise unser Ziel, die Insel Vulcano, und freuten uns nach der ersten Dusche auf drei Wochen Urlaub, Sonne, Meer und sizilianischen Rotwein mit Oliven.
Zwei Freunde und ich beschlossen eines Tages, einen Ausflug auf die Nachbarinsel Stromboli zu machen. Der Vulkan dort ist dauerhaft aktiv, das heißt, er bricht mehrmals pro Stunde aus und ergießt seine Lava über die Insel. Wenn man die Tiefe des Meeres mit einrechnet, ist der Berg einige tausend Meter hoch und die imposante Rauchwolke ist weithin sichtbar.
Fröhlich und völlig ahnungslos, was uns erwarten würde, bestiegen wir eines Nachmittags ein Tragflügelboot zur Insel Stromboli. Es war Hochsommer, aber wir hatten trotzdem lange Hosen, Pullis und Schlafsäcke mit dabei, denn wir beabsichtigten, den Vulkan zu erklimmen und an dessen Krater die Nacht zu verbringen.
Auf Stromboli angekommen, knurrte uns jedoch erstmal ordentlich der Magen und wir verputzten jeder eine Pizza, was wir wenig später sehr bereuten, denn davon wurden wir so durstig, dass wir den Großteil unserer Wasservorräte ausgetrunken hatten, noch ehe wir überhaupt den Weg zum Aufstieg des Vulkans gefunden hatten.
Inzwischen war es bereits dunkel geworden und es war noch immer drückend heiß. Wir entschieden uns, den steilen Hang direkt gerade hinaufzuklettern, denn im Gegensatz zum offiziellen Weg, den wir im Dunkeln nicht finden konnten, zeigte uns der ausbrechende Vulkan durch sein Lavafeuer die Richtung an.
Der Weg über die Steilwand war alles andere als ungefährlich. Im Stockdunkeln rutschten wir im losen Geröll mehr bergab als wir bergauf schafften und hatten oft großes Glück, uns nicht an dem messerscharfen Lavagestein schwere Wunden zuzufügen oder die Beine zu brechen.
© MyBarefootSoul 2020-09-27