von Fleur Edelenbos
Ich möchte an diesem Punkt in meinem Leben ein Gespräch niederschreiben, welches ich vor nunmehr Fünf Jahren geführt habe. Die genauen Worte sind mir nicht nur aus dem Grund im Gedächtnis geblieben, da sie wohl gewählt und gewissermaßen künstlerisch waren, sondern erinnere ich mich an jenen Abend nunmehr deshalb so genau, da dies das letzte Gespräch war, bevor mein geschätzter Freund Pjotr Iljitsch sich das Leben nahm und gewissermaßen der Welt den Rücken kehrte. Die Nachricht drang zu mir am nächsten Morgen, als ich gerade in gewohnter Manier meinen Tee vom Samowar nahm und ihn schlürfte, während ich mir die neuesten Neuigkeiten unserer geliebten Stadt St. Petersburg zu Gemüte führte. Meine Haushälterin Agafja kam und überbrachte mir die traurige Neuigkeit und ich kann nicht behaupten, dass ich besonders überrascht war. Trotz eben jener fehlenden Überraschung war ich natürlich nicht weniger traurig über den Umstand, den ich so schmerzlich erwartet hatte. Nun fragen sie sich, ob mein geliebter Freund Pjotr Iljitsch besonders viele Probleme hatte, ob er nicht gerade seiner Frau auf dem Sterbebett Adieu sagen musste oder ob einer seiner Söhne im Krieg sein Leben lassen musste. Ich kann versichern, dem war nicht so. Mein geschätzter Freund Pjotr Iljitsch hatte gewiss nicht solche Schläge des Schicksals, die es nun mal gemeinhin austeilt, zu verkraften. Weder war er ohne Anstellung also auch nicht ohne Rubel zum Leben und auch an den kleineren Rubelchen für das vergnügte Leben fehlte es ihm in keiner Weise. Darüber hinaus war er überall ein gerngesehener Gast, den man gemeinhin einlud und der ebenfalls Gegeneinladungen machte. Er war ein belesener Mensch, der sich auch für die Kunst der Kunst sowie die Kunst des Theaters sowie die Kunst der Musik interessierte. Kurz, er war ein Mensch ohne viele Entbehrungen.Doch nun möchte ich auf das Gespräch zurückkommen, beziehungsweise es niederschreiben, denn es wird ihnen einiges erleichtern und erklären. Es war, wie so oft, ein eisiger Tag in jenem Oktober. Unsere Unterhaltung spielte sich in einer kleinen Seitenstraße des Newski-Prospekts ab, welche zwar nicht so vornehm wie Genannter war, doch wenigstens bezahlbar und das Publikum war ebenfalls kein schlechtes. Ich saß gerade in einem kleinen Lädchen und genoss einige Piroggen und dazu wurde etwas Wodka gereicht und ich war im Allgemeinen doch sehr zufrieden mit meiner bescheidenen Situation und Person. An dieser Stelle möchte ich noch kurz zur allgemeinen Erklärung anmerken, dass mir gewiss niemand ein Denkmal bauen wird, noch mein Leben nach meinem Ableben gedenkt niederzuschreiben. Ich bin eine recht unbedeutende Person in der Geschichte der Welt und habe mir nie etwas daraus gemacht. Bescheiden möchte man das vielleicht nennen, wenn man meine guten Charaktereigenschaften hervorheben wollte, doch nenne ich dies gemeinhin eher desinteressiert am Wunsche etwas darzustellen, was das Umfeld bewundern kann. Ich war und bin immer noch stets zufrieden mit dem, was Gott und das Mütterchen mir gegeben haben.Ich saß nun also über meinen dampfenden Piroggen, die ich mir gut schmecken ließ, als mein geschätzter Freund Pjotr Iljitsch in die dunkle Stube hineinkam.
© Fleur Edelenbos 2023-08-08