von Bria Feil
Meine Eltern haben mir beigebracht, wie ich ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden kann. Sie brachten mir bei wie ich mich zu kleiden hatte und wie ich mich zu benehmen hatte. Sie haben mir beigebracht, was ich gut finden soll und was schlecht ist. Von ihnen habe ich gelernt, dass es wichtig ist eine Ausbildung zu machen und eine Arbeit zu haben. Vieles von dem, was ich von ihnen gelernt habe, finde ich heute noch gut und ich setze es auch um. Trotzdem habe ich gelernt auch meine eigene Meinung zu haben und das finde ich auch gut.
Ich träumte davon das Abitur zu machen und danach Psychologie zu studieren. Nach dem Studium wollte ich als Kinderpsychologin arbeiten, heiraten und Kinder bekommen. Mein Mann und ich hätten ein schönes Häuschen mit einem gemütlichen Garten gehabt und wir wären glücklich gewesen. Ein Haustier wäre auch schön gewesen.Manche Träume werden wahr und manche werden es nicht.
Im Laufe der Jahre holte mich die Realität ein. Nachdem ich die Schule beendet hatte ging ich auf eine weiterführende Schule in ein Internat um dort zuerst die mittlere Reife zu machen. Danach plante ich mein Abitur zu machen. Leider war das nur auf dem Wirtschaftsgymnasium möglich und das habe ich leider nicht geschafft. Aufgeben war für mich keine Option, also wechselte ich in das Berufsbildungswerk und machte dort eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Die Ausbildung, die ich braucht um eigenständig leben zu können, habe ich also bekommen. Nun fehlte mir nur noch die Arbeit. Auch hier hatte ich Glück. Kurz nach dem Abschluss bekam ich eine Stelle in der Verwaltung eines ambulanten Pflegedienstes. Die Arbeit gefiel mir sehr. Ich war sicher, dass ich meinen Weg gefunden hatte.
Manchmal hat das Schicksal einen anderen Plan und in einer Nacht ändert sich alles. Es begann mit Schmerzen im Nacken und Schwindelgefühlen. Darauf folgten Wochen in denen ich im Bett lag, Übelkeit hatte und krank geschrieben war. Mein Hausarzt riet mir zu einem Orthopäden zu gehen, der aufgrund meiner Behinderung Verschleißerscheinungen in der Halswirbelsäule diagnostizierte. Daraufhin wurde ich in eine Rehabilitation geschickt. Am Ende blieb mir nur eine Frage. Erwerbsminderungsrente oder…? Letzteres war genau das, wogegen ich mein Leben lang gekämpft hatte. Ich wollte ein normales Leben führen und nicht abgeschottet unter meinesgleichen leben. So entschied ich mich letzten Endes für die Erwerbsminderungsrente.
Der Antrag wurde mir bewilligt und seit vielen Jahren lebe ich damit. Es ist ein Leben, das zumindest finanziell nicht mehr viel Platz zum Träumen lässt. Viele Träume haben sich dadurch erübrigt. Man ist ein Teil der Gesellschaft und gleichzeitig auch nicht. Man kämpft jeden Tag dafür nicht als Klotz am Bein betrachtet zu werden. Es ist nicht immer leicht, aber auch jetzt noch bin ich eine Kämpfernatur. Immer noch bleiben Träume, die erfüllt werden müssen und ich werde sie erfüllen. Zusammen mit meinem Mann, der an meiner Seite kämpft.
© Bria Feil 2020-07-29