Am Wandlitzsee bei Berlin

Heinz-Dieter Brandt

von Heinz-Dieter Brandt

Story

Mit dem Namen Wandlitz bei Berlin verbindet sich eine gewisse Beklemmung. Unwillkürlich denkt man an die Waldsiedlung. Die rund eineinhalb Quadratkilometer große Siedlung stand zu DDR-Zeiten als geschlossene Wohnsiedlung nur den Mitgliedern des Politbüros des Zentralkomitees der SED zur Verfügung. Sie entstand zwischen 1958 und 1960 inmitten eines Waldgebietes, war auf keiner Landkarte verzeichnet und nur 23 DDR-Politikern mit ihren Familien vorbehalten. Der Umzug in die Siedlung wurde für Politbüromitglieder mit ihrer Berufung ins Politbüro obligatorisch.

Wandlitz ist eine Gemeinde im Landkreis Barnim in Brandenburg. Sie entstand 2003 im Zuge der brandenburgischen Gemeindegebietsreform aus neun selbständigen Gemeinden, wobei die namensgebende Gemeinde Wandlitz ein Ortsteil der neuen Großgemeinde Wandlitz wurde. Der Name Wandlitz stammt aus dem Slawischen, genauer aus dem Polabischen und wurde ursprünglich Vądolica geschrieben. Er bezieht sich auf das Wort vądol, (Schlucht oder Tal). Wandlitz bedeutet also entweder die Bezeichnung einer ersten Siedlung in einem Tal oder einer Schlucht oder leitet sich vom See ab, der schon früher Vądolsee, also Talsee, genannt wurde. Der See entstand in der Weichseleiszeit, an seinem Süd- und Ostufer entwickelte sich die Siedlung. Als typisches märkisches Anger- und Straßendorf ist es Teil einer gemeinsamen Kulturlandschaft, erkennbar an einer kleinteiligen und dörflich geprägten Siedlungsstruktur. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort 1242 im Zusammenhang mit dem Verkauf durch die Markgrafen Johann I. und Otto III. an das Kloster Lehnin.

Im Zuge der Säkularisation kam der Ort dreihundert Jahre später zum neu gegründeten kurfürstlich-brandenburgischen Amt Mühlenbeck. Im 18. und 19. Jahrhundert, insbesondere mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Berlin-Groß Schönebeck, der Heidekrautbahn, im Jahre 1901, wurden die entscheidenden Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Aufschwung des Ortes geschaffen. Zahlreiche Landhäuser und Villen entstanden, die Villenkolonie an den Heiligen Drei Pfühlen war das Ergebnis eines Architektenwettbewerbs. Am Rahmer See, gegenüber dem Wandlitzsee, gründeten Künstler in den 1920er Jahren eine Wohnkolonie. Mit seinen beiden Nachbarseen, dem Rahmer See und dem Stolzenhagener See, und seiner Lage im Naturpark Barnim bietet der Wandlitzsee ein romantisches Ensemble in Brandenburg und eine typisch märkische Landschaft, wobei der Wandlitzsee zu den schönsten der Region zählt.

Die Polit-Siedlung bestand zu DDR-Zeiten zunächst aus 21 ein- und zweigeschossigen Einfamilienhäusern mit bis zu 15 Zimmern sowie einem Klubhaus mit Arztpraxis, Schwimmbad, Sauna, Kino, Gaststätte, Schießstand und Sportplatz mit Tennisanlage. Der Lebensstil der dort lebenden Politiker ging weit über den eines normalen DDR-Bürgers hinaus. Sie kamen in den Genuss hochwertiger DDR- und Westprodukte – fast jeder Einkaufswunsch konnte erfüllt werden. Westkataloge halfen, die richtigen Waren zu bestellen. Eine eigene Müllabfuhr ersparte den Weg zur städtischen Mülldeponie und verhinderte neugierige Blicke und Fragen.

Nach der Wende wurde der Wandlitzsee privatisiert, allerdings mit strengen Auflagen zugunsten der Bevölkerung.

© Heinz-Dieter Brandt 2023-07-23

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Reise
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