Amerikanischer Akzent

Daniela Neuwirth

von Daniela Neuwirth

Story

„Den kannst du nicht mitnehmen. Der ist bei euch verboten!“, klärt Lillys Tochter um die Umstände rund um die Hunderasse auf, der dieser Welpe angehört. „Das ist aber sehr schade“, bedauert sie dies. Der heranwachsende Junghund knabbert auf einem dicken Seil herum, dass Lilly in der Hand hält und daran zieht. „Jetzt müssen mal die Zähne raus“, meint ihre Tochter. Dies ist offensichtlich und der Kiefer ist kräftig, obwohl der Hund noch im Wachstum ist.

„Tja, da bist du nun“, seufzt sie nicht dem Hund, sondern dem Freund ihrer Tochter zu. Es war sehr klug von ihm, seinen entzückenden Vierbeiner vorzuschicken und ihr Herz einzufangen. Wie sehr sich der Hund freute, zeigt ja ohnehin, wie es um die Dinge steht. Er artikuliert sich mit so einem verbalen Mischmasch aus Amerikanisch und Deutsch, obwohl er optisch definitiv Wurzeln in der südlichen, europäischen Region haben muss.

Ihr liegen sehr viele Fragen auf der Zunge, denen er nun schon wieder mit dem zweiten Schachzug, den Wind aus den Segeln nimmt. „Like the mother Atlana in Aquaman tauchst du hier auf nach so many years“, meint er und lächelt mit den Augen. Lilly lässt dies durch ihren Kopf gehen: „Ist das so?“, überlegt sie.

„Ja, gut ich war weg. Ja, blond. Ja, kämpferisch, aber…“, einen Einwand hat sie trotzdem: „Die hieß doch nicht Atlana, oder?“, womit nun jegliches seriöses Nachfragen, wie er heißt, woher er kommt, ob er schon hier eingezogen ist, wo er arbeitet und wo seine Eltern sind, ob er findet, dass sein heranwachsender Kampfhund zu den drei Schoßhunden ihrer Tochter passt, nicht mehr ins Gespräch passen. Es bleibt nur noch übrig, die beiden auf ihre Trauminsel, auf der sie tatsächlich sieben Jahre verschollen war, für den nächsten Urlaub einzuladen.

„Da gibt es auch genug Arbeit für junge Männer wie dich und Christina könnte selbständig arbeiten“, schiebt sie doch noch nach. Er interessiert sich für das Leben auf der Insel. „Wir bleiben hier“, wirft die Tochter in die Unterhaltung ein und beendet jegliches Debattieren über Verdienst- und Wohnmöglichkeiten neben einem Strand in der Sonne und mit paradiesischen Zuständen.

Das Wort der Erstgeborenen hat Gewicht. Lilly wandert ein bisschen durch die Wohnung. „Das ist ein außergewöhnliches Gebäude. Von außen wirkt alles, wie ein überdimensionales Dornröschenschloss in Las Vegas versetzt in eine Mondlandschaft.“ Die Wohnung ist gut aufgeteilt und die Einrichtung wirkt so beweglich wie möglich gehalten, da die Tochter wahrscheinlich auch gerne mal die Möbel umstellt.

„Das hat er gebaut“, erwähnt die hübsche, junge Frau und legt die Hand auf einen Bartresen mit Marmortischplatte nahe dem Balkon. “Ja, passt sehr gut hier dazu.“ Für die Tochter scheinen diese Räume eher immer noch eine ausgelagerte Dependance zum Schwiegerelternhaus, welches zu einem Teil aus Firmenräumen bestand, zu sein, dass sie mit ihrem Vater und den Schwestern zu einer Mehrfamilienvilla ausgebaut und modernisiert hat. „Es ist, wie es ist.“

© Daniela Neuwirth 2021-12-15

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