von Valerie Vonroe
Ich stand im Theaterfoyer und wartete auf meine Freundin. Sie meinte, ein Glaserl Sekt wird mir gut tun, so wie ich heute darauf bin. Gedankenverloren starrte ich in die Gegend. Eine ältere, gepflegte Frau stand plötzlich neben mir: Sie sind die schönste Frau, die ich seit langem gesehen habe, sagte sie. Verwirrt drehte ich mich um. Mein Mann hatte sein ganzes Leben lang Freundinnen, aber so eine wie sie war nie dabei, die hätte ich ihm ja fast erlaubt. Ich bedankte mich für das Kompliment und sah ihre traurigen Augen. Auch wenn er jetzt schon tot war, wie konnte eine Frau das ertragen dachte ich bei mir.
Canovas Skulptur ist das wohl anmutigste Abbild der bekannten mythischen Liebesgeschichte und wurde heute erstmals auf einer Theaterbühne gezeigt. Die große Liebe zwischen Gott und der schönen Königstochter rührte selbst die olympischen Götter: Zeus verlieh Psyche Unsterblichkeit, auf dass beide zu einem Symbol ewiger Liebe werden konnten, das alle Stürme der Zeit überdauern sollte. Als sie ihm selig ihren Mund zum Kuss reicht, rollten dicke Tränen über meine Wangen. Meine Freundin ergriff tröstend meine Hand.
Ich hatte schon lange keine Kraft mehr für Liebesbeziehungen, das war für mich abgeschlossen in diesem Leben. Männerbekanntschaften hatte ich immer wieder, aber sie berührten mich nicht. Die Kerkermauer um mein Herz war stabil, ich hatte einen großen Freundeskreis und mein Leben war in Ordnung. Vor einigen Monaten lernte ich wieder so einen Go-Bye Mann kennen und ich weiß bis heute nicht wie es passieren konnte. Plötzlich war ich verliebt, mit allem, was dazugehört. Angst machte sich in mir breit, ich konnte keine weiteren Verletzungen mehr ertragen, aber ich konnte auch nicht von ihm lassen.
Er ist verheiratet, das wusste ich. Was ich nicht wusste, jedes Wochenende gehörte seiner Frau – das war in Stein gemeisselt und ich löste mich bis Montag in Luft auf. Heute ist Samstag und ich leide. Warum bin ich zu diesem TheaterstĂĽck ĂĽber „die ewige Liebe“ mitgegangen, bin ich eine Seelenmasochistin? Von Montag bis Donnerstag war ich sein geliebtes Schätzchen und lebte, dann versank ich in einem dichten Nebel aus tiefer Traurigkeit und Sehnsucht, ein reines Ăśberleben. Als der Vorhang zur Pause fiel, konnte ich kaum aufstehen so schwach fĂĽhlte ich mich. Komm wir geben uns noch ein Sekterl und dann gehen wir abtanzen. So schön wie du heute bist, werden dich die Männer um schwirren wie Motten das Licht. Ein Lächeln fiel mir schwer.
Wir wollten uns gerade an der Schlange beim Buffet einreihen, da winkte mir die Dame von vorher zu, sie stand an einem Stehtisch. Zwei männliche Hände stellten drei Sektgläser ab. Ich griff automatisiert danach. Das ist wirklich eine sehr schöne Frau mein Schätzchen sagte er lächelnd, während er sie umarmte. Das billige Pressglas zersprang am Marmorboden während ich in die Augen meines geliebten Mannes starrte.
Ohnmacht. Wir werden sie zur Sicherheit ins Spital bringen sagte eine Stimme von weit her.
© Valerie Vonroe 2022-11-06